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Aktuelle Rechtsprechung und Entwicklungen

Vermächtnis oder Erbschaft? – auf Verjährung achten

Das OLG Frankfurt am Main hat am 09.12.2022 eine Entscheidung getroffen, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigt hat, ob ein Vermächtnis oder eine Miterbenstellung vorliegt. Darüber hinaus hat sich das OLG damit beschäftigt, wann ein Anspruch als Vermächtnisnehmer verjährt bzw. wann die Verjährung beginnt.

Zum Verständnis ist grundsätzlich zu sagen, dass auf den oder die Erben die Erbmasse gemäß § 1922 BGB als Ganzes übergeht. Gibt es mehrere Erben, so geht von Gesetzes wegen auf diese das Vermögen mit allen Guthaben und allen Schulden in Höhe der jeweiligen Anteile, den sogenannten Quoten, auf die Erben über. Es handelt sich dann um Miterben, die eine Erbengemeinschaft bilden. Testamentarisch kann der Erblasser Teilungsanordnungen treffen, das heißt, er kann bestimmen, wer welchen Anteil bzw. welchen Teil aus der Erbmasse erhalten soll.

Der Erblasser kann aber auch anordnen, dass einzelne oder mehrere Vermögenspositionen auf bestimmte Personen übergehen sollen. Bei diesen Personen kann es sich um Erben oder auch um Dritte handeln, die keine gesetzlichen Erben sind. So kann ein Erblasser beispielsweise anordnen, meinen Porsche soll der Sohn, Hans-Peter, meines besten Freundes Franz erhalten. In einer solchen Konstellation wäre der Sohn, Hans Peter, kein Miterbe, sondern Vermächtnisnehmer. Folge daraus ist, dass der Porsche nicht von Gesetzes wegen, das heißt automatisch, auf ihn übergeht, sondern dass er einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung gegen die Erbengemeinschaft hat. Einen solchen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung hat man beispielsweise auch aus einem Kaufvertrag.

Zusammengefasst heißt das, auf die Erben geht das gesamte Vermögen aus der Erbschaft per Gesetz mit dem Ableben des Erblassers über. Der Vermächtnisnehmer erwirbt lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch, den er geltend machen muss.

Ein solcher Vermächtnisanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Das heißt, die Verjährung beginnt zum Ende des Jahres (31.12.) in dem der Anspruch entstanden ist und verjährt nach 3 Jahren. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt der Verjährungsbeginn voraus, dass der Gläubiger – das heißt in unserem Fall der Vermächtnisnehmer – Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners hat.

Im entschiedenen Fall hat die Erblasserin neben 5 Kindern mehrere gut gefüllte Konten und einen Lebensgefährten hinterlassen. Die Erblasserin hatte Testamentarisch verfügt, dass das Geld auf den Sparbüchern an die Verwandten „als letztes Geschenk“ gehen solle und der Lebensgefährte ein Sparbuch und das Geld auf dem Girokonto erhalten solle. Die Testamentseröffnung war im Jahr 2015.

Der Lebensgefährte ging davon aus, dass er Miterbe sei. Er beantragte daher einen entsprechenden Erbschein. Im Erbscheinsverfahren traten die anderen Beteiligten dem Ansinnen des Lebensgefährten entgegen und führten an, dass er lediglich Vermächtnisnehmer sei. Die Dinge gingen ihren langsamen gerichtlichen Weg und schließlich scheiterte der Lebensgefährte im Erbscheinsverfahren und konnte sich nicht durchsetzen. Er erhob dann im Jahr 2019 Klage aus seinem – schuldrechtlichen – Vermächtnisanspruch.

Die Erben erhoben die Einrede der Verjährung. Dem folgte das OLG Frankfurt am Main und wies die Klage ab. Es stellte fest, dass der Vermächtnisanspruch der regelmäßigen Verjährung unterliege. Es komme, so wie § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB es sage, darauf an, ob der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners habe. Welche Rückschlüsse bzw.  ob er die richtigen Rückschlüsse daraus ziehe, darauf käme es nicht an. Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und Person des Schuldners habe der Lebensgefährte mit der Testamentseröffnung im Jahr 2015 gehabt. Dass sich der Lebensgefährte irrtümlich für einen Miterbe gehalten habe, sei nicht von Relevanz. Somit begann die Verjährungsfrist zum 31.12.2015 zu laufen. Die 3 Jahre der regelmäßigen Verjährungsfrist waren daher zum 31.12.2018 abgelaufen. Da die übrigen Beteiligten die Einrede der Verjährung erhoben hatten, war die Klage abzuweisen.

Der Erbscheinsantrag wurde über einen Notar gestellt. Da eine Auslegung als Vermächtnis zumindest möglich erschien, hätten weitere prozessuale Maßnahmen (bspw. Erbenfeststellungsklage mit hilfsweiser Geltendmachung aus Vermächtnis) ergriffen werden sollen. Durch gerichtliche Geltendmachung nämlich wird die Verjährung gehemmt.

(OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.12.2022 – 15 U 293/20)

Auskunftsrecht des Vermächtnisnehmers

Ein Vermächtnis unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von einer Erbschaft. Das Erbe geht im Moment des Erbfalls (Versterben des Erblassers) auf den oder die Erben über. Dieser Übergang erfolgt von Gesetzes wegen, ohne dass selbst tätig geworden sein müsste. Es wird daher auch vom „Vonselbsterwerb“ gesprochen. Hierbei ist es regelmäßig so, dass die Erbschaft als Ganzes auf den oder die Erben übergeht.

Befindet sich beispielsweise in der Erbschaft eine Immobilie, geht diese im Moment des Todes auf den oder die Erben über. Eine der Folgen ist, dass das Grundbuch falsch ist. In diesem steht noch der Erblasser und nicht die Erben. Entsprechend ist das Grundbuch zu berichtigen. Es läuft hier im Prinzip genau andersherum ab, wie beim Kauf- oder Übergabevertrag einer Immobilie. Hier geht das Eigentum regelmäßig erst mit Umschreibung im Grundbuch über.

Um zu erfahren, was sich in der Erbschaft befindet stehen dem Erben gegenüber dem Erbschaftsbesitzer oder dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben Auskunftsansprüche zu. Im Rahmen dieser Auskunftserteilung hat der Verpflichtete ein geordnetes Verzeichnis nach § 260 BGB zu erstellen und vorzulegen.

Ein Vermächtnis begründet oder gewährt keinen solchen – oben beschriebenen – automatischen Übergang. Durch ein Vermächtnis werden in der Regel untergeordnete Vermögenspositionen aus der Erbmasse ausgesondert und bestimmten Personen zugeordnet. Anders als beim Erbe fallen diese Vermögenspositionen der bedachten Person aber nicht automatisch und somit nicht „von selbst“ an.

Durch das Vermächtnis ist die berechtigte Person lediglich befugt, die vermächtnisweise zugewiesene Vermögensposition herauszufordern, § 2174 BGB. Es besteht ein schuldrechtlicher Anspruch auf Aussonderung. Dieser muss proaktiv geltend gemacht werden. Dieser Anspruch verhält sich ähnlich wie ein vertraglicher Anspruch. Auch ein vertraglicher Anspruch ist ein schuldrechtlicher Anspruch. Schließen Sie beispielsweise einen Kaufvertrag und haben bezahlt, haben Sie einen Herausgabeanspruch. Erhalten Sie die Ware nicht freiwillig, müssen Sie diese herausfordern, notfalls gerichtlich. Ebenso ist es bei dem Vermächtnis. Liegt ein solches vor und wird die Vermögensposition nicht herausgegeben, muss sie eingefordert werden.

Nun kann es vorkommen, dass nicht ganz klar ist was genau der Vermächtnisgegenstand sein soll oder welcher Wert zu Grunde zu legen ist. Dies beispielsweise bei Wertmäßigen Anteilen von Unternehmen oder wenn ein prozentualer Anteil am Nachlass vermächtnisweise übertragen wird. Bedauerlicherweise findet sich in den §§ 2147 ff BGB, in denen das Vermächtnis geregelt ist, kein Anspruch auf Auskunft.

Elegant ist es, wenn der Erblasser mit dem Vermächtnis einen Auskunftsanspruch mitvermacht hat. Dann ist Auskunft geschuldet.

Wenn der Bedachte sein Vermächtnis ohne Angaben oder Auskunft schlicht nicht geltend machen kann, steht ihm allerdings häufig gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) ein Anspruch auf Auskunft zu, so beispielsweise LG Köln, Urteil vom 25-04-1989 - 22 O 331/88. Es ist allerdings zu beachten, dass der Anspruch aus Treu und Glauben mehr oder weniger eine Ausnahmeregelung darstellt und daher eine allzu großzügige Anwendung der Gerichte nicht erwartet werden kann.

Hier ist daher immer der Einzelfall zu prüfen, da der Umfang der Auskunftspflicht auch immer von der Art des Vermächtnisses abhängt. Bei einem Wahlvermächtnis zwischen verschiedenen Gegenständen muss beispielsweise nur über die zur Wahl stehenden Gegenstände Auskunft gegeben werden, nicht über den gesamten Nachlass. Bei einer bestimmten Quote (prozentualer Anteil) muss Auskunft über den gesamten Nachlass gegeben werden, bei einem Anteil des Jahresgewinns eines Unternehmens sind die Unterlagen zur Gewinnermittlung vorzulegen, usw.

Wichtig und zu beachten ist die Frage, ob der Vermächtnisnehmer gleichzeitig auch Erbe und somit grundsätzlich pflichtteilsberechtigt wäre. Wird einem gesetzlichen Erben im Sinne des § 2303 BGB (Abkömmling, Eltern oder Ehegatten) nur ein Vermächtnis zugewiesen und er so quasi enterbt, so steht ihm ein Auskunftsanspruch gem. § 2314 BGB zu. Ein solcher kann sogar vorliegen, wenn das Vermächtnis höher ist als der eigentliche Erbteil. Das ergibt auch Sinn, da vor der Auskunft der Wert des Vermächtnisses ja nicht bekannt ist.

Dieser Auskunftsanspruch unter nahen Verwandten ist daher häufig das „Schlupfloch“ über das Auskunft verlangt werden kann.

Ein zukünftiger Erblasser, der Gegenstände oder Anteile vermächtnisweise vermachen will, ist daher gut beraten, entsprechende Auskunftsansprüche mit zu vermachen, um dem Berechtigten die Realisierung des Vermächtnisses zu ermöglichen. Das heißt, um dafür zu sorgen dass das Vermächtnis auch da ankommt, wo es hinsoll, sollte neben einer etwaigen Testamentsvollstreckung auch an zu übertragende Auskunftsrechte gedacht werden.

Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Schleswig wurde die Frage behandelt, wie zu verfahren ist, wenn ein Nachlassverzeichnis - in diesem Fall war es ein notarielles Nachlassverzeichnis - unvollständig ist.

Im entschiedenen Fall wurde ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt. Der Kläger wollte bei der Erstellung zugegen sein. Die Notarin teilte ihm mit, dass er dies machen könne, jedoch keine Einsicht in etwaige Unterlagen erhalte. Da der Wohnort des Klägers relativ weit entfernt war, nahm dieser Aufgrund der Mitteilung der Notarin an dem Termin nicht teil.

Das durch die Notarin erstellte Nachlassverzeichnis war unvollständig. Daher erhob der Kläger Klage auf Auskunft. Aus dem Klageantrag an sich war nicht ersichtlich, dass bereits ein Nachlassverzeichnis   - wenn auch unvollständig - vorlag (im Rahmen des Rechtsstreits wurde dieses selbstverständlich thematisiert). Das Landgericht gab der Klage letztendlich statt, ergänzte jedoch den Tenor durch das Wort „ergänzend“ Auskunft zu erteilen...

Daraufhin legte der Kläger gegen das Urteil Berufung ein und beantragte weiterhin eine Verurteilung zur vollständigen Auskunftserteilung und somit einer vollständigen und nicht nur „ergänzenden“ Verurteilung.

Das OLG Schleswig gab der Berufung statt. Es urteilte, dass ein teilweise erstelltes, aber unvollständiges Nachlassverzeichnis den Auskunftsanspruch nicht, auch nicht teilweise erfüllt. Ist ein Nachlassverzeichnis unvollständig, ist der Auskunftsanspruch insgesamt noch nicht erfüllt. Es kann daher nur eine Verurteilung zur Auskunft insgesamt erfolgen.

Die Entscheidung ist in zweierlei Hinsicht interessant.

Zum einen hat das OLG Schleswig klargestellt, dass kein Anspruch darauf besteht, bei der Hinzuziehung zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses auch Einsicht in die Unterlagen zu erhalten. Dies wird teilweise kritisiert (so Papenmeier, in: IWW EE Erbrecht effektiv, 01/2023, S. 3f). Allerdings erscheint die Entscheidung diesbezüglich richtig. Die Auskunftspflicht ergibt sich aus § 2314 Abs. 1 BGB. Dieser verweist auf § 260 BGB, der keine Belegeinsicht oder Belegvorlage vorsieht, sondern lediglich die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses. Demgegenüber regelt § 259 BGB die Rechenschaftspflicht und ordnet expressis verbis an, dass Belege vorzulegen sind, sofern dies üblich ist. Auf diesen Paragrafen verweist der § 2314 Abs. 1 BGB aber gerade nicht. Jedenfalls aus dem Gesetz kann daher eine Belegeinsicht nicht hergeleitet werden.

Des Weiteren scheint die Notarin ein unvollständiges Nachlassverzeichnis vorgelegt zu haben. Das ist an sich schon „ein starkes Stück“. In der Praxis taucht darüber hinaus immer wieder die Frage auf, ob ein Nachlassverzeichnis unvollständig ist oder ob die darin gemachten Angaben nicht glaubwürdig oder nicht ausreichend sind. In der präprozessualen oder prozessualen Situation ist meist letzteres der Fall, da der Auskunftsberechtigte in der dann bereits zugespitzten Situation dem Auskunftsverpflichteten generell nicht mehr glauben mag. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Nur bei einem unvollständigen Nachlassverzeichnis kann weiterhin Auskunft geltend gemacht werden. Ist das Nachlassverzeichnis aber nach Ansicht des Auskunftsberechtigten nur nicht glaubwürdig oder nicht ausreichend, so wäre eine Klage auf Auskunft häufig bereits unbegründet, da Auskunft ja bereits erteilt ist. Ist nämlich Auskunft erteilt und diese lediglich nicht glaubwürdig oder aus Sicht des Auskunftsberechtigten nicht ausreichend, so ist das Mittel der Wahl nach der gesetzlichen Regelung die Forderung der eidesstattlichen Versicherung, § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 260 Abs. 2 BGB. Hier bestehen in der Praxis häufig Abgrenzungsprobleme und entsprechende Haftungsfallen. Um solche zu vermeiden, sollte immer der Rat eines Fachmanns hinzugezogen werden.

(OLG Schleswig, Urteil vom 29.11.2022 – 3 U 71/22)

Anrechnung und Ausgleichspflicht zwischen Erben

 

Wird ein gesetzlicher Erbe ganz oder teilweise von der Erbfolge ausgeschlossen, kann er einen Anspruch auf seinen Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzung haben. Der Pflichtteil entspricht der wertmäßigen Hälfte des gesetzlichen Erbteils (Quote). Im Rahmen der Pflichtteilsergänzung werden lebzeitige Geschenke des Erblassers an Dritte dem Nachlass hinzugerechnet.

Es fragt sich, wie die Tatsache zu behandeln ist, dass derjenige, der den Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzung geltend macht, selbst Vermögenwerte vom Erblasser erhalten hat? Hier gibt es 2 Grundsätze zu beachten: Erstens ist zu unterscheiden zwischen Anrechnung (§ 2315 BGB) und Ausgleichung (§ 2016 BGB). Zweitens gilt: „freie“ Geschenke, so beispielsweise Geldüberweisungen ohne weitere Bestimmung im Betreff, sind weder anrechnungs- noch ausgleichspflichtig.

So hat sich der Pflichtteilsberechtigte nach § 2315 BGB nur anrechnen zu lassen, was ihm mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass er sich dies anrechnen lassen müsse. Bei dieser Bestimmungsanordnung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die vor oder spätestens mit der Zuwendung erfolgen muss. Möglich ist auch eine stillschweigende Anrechnungsbestimmung, die aber jedenfalls erkennbar sein muss.

Eine Ausgleichspflicht besteht gemäß § 2316 BGB nur für Zuwendungen im Sinne des § 2050 BGB oder Leistungen im Sinne des § 2057a BGB. Um Zuwendungen handelt es sich vereinfacht gesagt um Zuschüsse zum Lebensunterhalt, zur Berufsausbildung bzw. Gründung eines eigenen Haushalts. Leistungen im Sinne des § 2057a BGB sind Tätigkeiten oder Geldleistungen des Berechtigten, die dem Erhalt oder der Mehrung des Vermögens des Erblassers gedient haben.

Sonstige Zuwendungen (bei denen es sich nicht um Zuschüsse zum Lebensunterhalt, zur Berufsausbildung bzw. Gründung eines eigenen Haushalts handelt) begründen eine Ausgleichungspflicht nur, wenn dies der Erblasser ausdrücklich vor oder spätestens bei der Zuwendung angeordnet hat, § 2050 Abs. 3 BGB. Auch die Ausgleichungsanordnung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die vor oder spätestens bei der Zuwendung dem Empfänger zugehen muss.

Zu beachten ist, dass der Zuwendungsbegriff im Ausgleichungsverfahren (§ 2316 BGB) weiter ist als der im Anrechnungsverfahren (§ 2315 BGB). Unter den Begriff im Ausgleichsverfahren fallen nicht nur freiwillige Zuwendungen, sondern auch solche, die in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht, wie etwa einer Unterhaltspflicht erfolgen. Andersrum gesagt, sind im Anrechnungsverfahren nur solche Zuwendungen zu beachten, die freiwillig erfolgt sind. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob die (häufig aufzufindende) Formulierung „in vorweggenommener Erbfolge“ - allein für sich, ohne weitere Ausführungen - eine entsprechende Bestimmungsanordnung enthält. Soweit ersichtlich ist dies noch nicht höchstrichterlich entschieden. Hier wird es immer auf den Einzelfall ankommen und ob noch weitere erhellende Auslegungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Zu beachten ist, dass § 2316 BGB nur unter Abkömmlingen, d. h. unter mehreren Kindern des jeweiligen Erblassers zur Anwendung kommt. Demgegenüber bezieht sich § 2315 BGB abstrakt auf den „Pflichtteilsberechtigten“, d. h. nicht nur Kinder untereinander. Ebenso wirkt sich die Anrechnung gem. § 2315 BGB nur bei dem jeweiligen Pflichtteilsberechtigten aus. Die Ausgleichspflicht wirkt sich demgegenüber entsprechend dem Wortlaut der Norm auf die Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten ebenfalls aus.

 

Neues WEG und Anwendung auf Altregelungen (Teilungserklärungen)

In letzter Zeit treten vermehrt Anfragen zur Anwendung von dem neu kodifizierten Wohnungseigentumsgesetz auf die vorhandene Teilungserklärungen (Altvereinbarung) auf. So insbesondere im Bereich von baulichen Veränderungen und dem Abstimmungsprozedere im Bereich der Beschlussfassung. Tatsächlich kam von der jeweiligen Gegenseite so insbesondere auch von Hausverwaltern als auch von Rechtsanwälten die Aussage, es gelte das neue Recht aufgrund der Übergangsvorschrift in § 47 WEG. Diese pauschale Aussage ist selbstverständlich unzutreffend und schlicht falsch.

§ 47 WEG lautet:

“Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nicht anzunehmen.”

Ein solcher Wille kann sich allerdings aus dem Wortlaut der Teilungserklärung (TE) ergeben, bspw. wenn geregelt ist, dass eine bestimmte Klausel explizit abweichend vom Gesetz gelten soll.

Folge der Negativvermutung im Gesetz ist allerdings, dass derjenige, der sich darauf berufen möchte, dass die alte Regelung in der TE weiter Bestand haben und nicht das (neue) Gesetz anwendbar sein soll, die Beweislast trifft.  

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich dass der § 47 WEG eingeführt worden ist, weil in vielen Teilungserklärungen der bestehende Gesetzestext im Wortlaut wiedergegeben wird, Zitat:

“Eine solche Vorschrift ist notwendig, da viele Gemeinschaftsordnungen den Wortlaut des bei ihrer Errichtung geltenden Gesetzes wiederholen.”

(BT-Drucks. 18791/19, zu § 47 WEG)

Tatsächlich ist dies nicht immer der Fall. Zeigt eine TE Regelungen, die nicht den zum Erstellungszeitpunkt gültigen Gesetzestext wiedergeben, kann schon mit guten Gründen überlegt werden, dass der Regelungsgehalt des § 47 WEG gar nicht eröffnet ist (teleologische Reduktion). 

In der Kommentarliteratur gibt es Stimmen, die diese Voraussetzung gar als negatives Tatbestandsmerkmal sehen. Dort wird im weiteren Verlauf ausgeführt, dass bereits jede vom seinerzeitigen Gesetzestext abweichende Regelung die Vermutung mit sich bringe, dass diese auch bei einer Gesetzesänderung weiterhin gelten solle. 

Dieser Rückschluss allerdings widerspricht den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der eben sagt, dass in der Regel nicht anzunehmen sei, dass die alten Regelungen Bestand haben sollen.  

Nach anderen Stimmen in der Literatur wurde in der alten Fassung des WEG der Weg der Unabdingbarkeit gewählt. Das heißt, dass dort explizit die Normen, die nicht geändert werden sollten (bzw. durften) als nicht disponibel ausgewiesen waren, so bei § 12 Abs. 4 S. 2 WEG a.F., § 16 Abs. 5 WEG a.F. und bei § 22 Abs. 2 S. 2 WEG a.F. Mit der Einführung des § 47 WEG verließ der Gesetzgeber den Weg der Unabdingbarkeit in den einzelnen Vorschriften und stelle auf eine generelle Geltung des neuen Rechts ab, sofern sich aus den alten Vereinbarungen kein anderer Wille ergäbe.

Hierbei sei zu fragen, ob die TE ebenfalls auf das nicht disponible Recht abgestellt hat und sagt, dass die abweichenden Regelungen gelten sollen, es sei denn es ist „zwingend“ etwas anderes vorgeschrieben oder es ist ein zusätzliches oder anderes Tatbestandsmerkmal „vorgeschrieben“. 

Schließlich gibt es Stimmen, die etwas filigraner vorgehen. Diese schlagen ein mehrstufiges Vorgehen vor.  

1.    Es ist zu prüfen, ob die Regelung gegenüber der damaligen gesetzlichen Regelung einen milderen oder strengeren Maßstab angesetzt hat. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Beispielhaft sei hier die Regelung des § 22 Abs. 1 WEG a.F aufgezeigt. Hier musste jeder zustimmen, der über das Maß betroffen war. Bei wesentlichen Veränderungen der Außenanlage, die für jedermann sichtbar sind, waren immer alle Wohnungseigentümer betroffen. Gibt die TE bei solchen Fällen eine geringer Stimmmehrheit vor, wird man hier von einem milderen Maßstab ausgehen können. Genauer zu prüfen sind sicherlich Regelungen bez. des § 22 Abs. 2 WEG a.F., der eine doppelt qualifizierte Mehrheit gefordert hat. 

2.    Im zweiten Schritt ist zu prüfen, wie die Gesetzeslage nach dem neuen Recht ist. Hier sieht man am Beispiel des § 22 Abs. 1 WEG a.F., der eben auf die Betroffenen abgestellt hat, dass häufig zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen werden kann, da es immer darauf ankäme, welche Eigentümer über das Maß eines geordneten Zusammenlebens hinaus von der Maßnahme betroffen wären und wie sich dann die Mehrheitsstimmverhältnisse ergeben hätten. Bei der baulichen Veränderung von Außenanlagen ist die evtl. Abweichung meist offensichtlicher.

3.    Bei entgegengesetzten Zielrichtungen soll klar sein, dass ein entgegenstehender Wille vorliegt, weshalb die Altregelung Bestand habe. 

Liegen identische Zielrichtungen vor, sei zu fragen, ob die Vereinbarung über die Neuregelung hinausgeht? Auch in diesem Fall bleibt die Altvereinbarung (TE) bestehen.

Gerade bei baulichen Veränderungen, die in der Vergangenheit an der erforderlichen doppelt qualifizierten Mehrheit gescheitert sind, wird nunmehr versucht über die einfache Mehrheit zum Erfolge zu kommen. Wie oben dargelegt ist dies aber nicht immer „per se“ anzunehmen.

Erbverzicht vs. Pflichtteilsverzicht

 

Zwischen einem Erbverzicht und lediglich einem Pflichtteilsverzicht besteht ein elementarer Unterschied. Ein aktuelles Urteil des OLG Köln (OLG Köln, Urteil vom 21.01.2021 - 24 U 48/20) gibt Anlass, auf diesen ganz erheblichen Unterschied hinzuweisen. Der vollständige Verzicht ändert die Erbquoten und damit die im Rahmen etwaiger Pflichtteilsansprüche auszugleichenden Beträge.

Sofern nur auf den Pflichtteil verzichtet wird, bleibt der Verzichtende weiterhin gesetzlicher Erbe. Er verzichtet nur für den Fall, dass er ganz oder teilweise von der Erbschaft ausgeschlossen wird darauf, seinen Pflichtteil geltend zu machen. Gibt es beispielsweise zwei Erben und jeder wäre Erbe zu 1/2, würde ein Pflichtteilsverzicht an der Tatsache, dass jeder 50% erbt nichts ändern.

An dieser Stelle bleibt einzuschieben, dass der gesetzliche Pflichtteil gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Im soeben dargestellten Fall betrüge der Pflichtteil, sofern einer der Erben beispielsweise testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen würde und keinen Pflichtteilsverzicht ausgesprochen hätte, 25 %.

Selbst wenn aber ein Pflichtteilsverzicht ausgesprochen wird, blieben die Quoten bei jeweils 50%. Sofern es keine letztwilligen Verfügungen gäbe und das gesetzliche Erbrecht anwendbar wäre, würden beide zu je 1/2 Erben werden. Würde ein Erbe von der Erbschaft ausgeschlossen werden, so bliebe es bei der theoretischen Erbquote von 50% und der Pflichtteilsanspruch dieser Person betrüge 25%.

Anders ist es bei einem vollständigen Erbverzicht. Bei einem solchen vollständigen Erbverzicht wird der verzichtende Erbe bei der Berechnung der Erbquote gemäß § 2310 Satz 2 BGB nicht mitgerechnet. Im obigen Beispiel würde dies bedeuten, dass bei einem Verzicht die Erbquote bei dem nichtverzichtenden Erben 100% betrüge. Kurz gesagt, wer einen vollständigen Erbverzicht ausspricht, wird so behandelt als ob es ihn nicht gäbe, § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB.

In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall führte diese Tatsache zu einem etwas kuriosen Ergebnis. Zunächst bestimmt § 2348 BGB, dass ein Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht der notariellen Beurkundung bedarf. Hier statuiert § 127a BGB die Ausnahme, dass die notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärung in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt werden kann. Dies birgt allerdings ganz erhebliche Gefahren, da die Notwendigkeit, den Verzicht notariell beurkunden zu lassen vor allem zur Sicherung der sachkundigen Belehrung gem. § 17 BeurkG (Schutzfunktion), dem Schutz vor unüberlegten, übereilten Handlungen (Warnfunktion) und der Sicherung des Beweises über Abschluss und Inhalt des Erbverzichts als weitreichende Verzichtserklärung (Beweisfunktion) dient (BeckOK BGB, Hau/Poseck, 59. Edition, Stand: 01.08.2021, § 2348 BGB Rn. 1).

Hier war es nun so, dass es zwei Töchter und somit zwei Erben gab. In einem in der Vergangenheit liegenden Gerichtsverfahren hatte nun die eine Tochter zu Protokoll einen Erbverzicht erklärt. Somit war (jedenfalls rein rechtlich) klar, dass diese Person bei einem etwaigen zukünftigen Erbfall so behandelt würde, als ob sie nicht mehr lebe, § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nun wurde aber im weiteren Verlauf genau diese Tochter, die den Erbverzicht erklärt hatte durch letztwillige Verfügung zur Alleinerbin bestimmt. Folge war nun, dass die andere Tochter, die keinen Verzicht erklärt hatte, testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen war. Entsprechend hatte diese gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Pflichtteilsanspruch in Höhe des hälftigen Wertes des gesetzlichen Erbteils. Bei der Berechnung eben dieser sog. Erbquote werden, wie oben dargestellt diejenigen, die einen Erbverzicht erklärt haben, nicht mitgezählt. Da von zwei Töchtern eine einen Erbverzicht erklärt hatte, und diese nicht mitgezählt wird, ergibt sich eine Erbquote bei nur einer verbleibenden Tochter in Höhe von 100 %. Da nun diese Tochter durch letztwillige Verfügung vom Erbe ausgeschlossen worden war, erhielt sie einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte und somit in Höhe von 50 %.


 

Die etwas kuriose Folge ist, dass trotz eines Erbverzichts und einer Enterbung durch letztwillige Verfügung alle (zwei) Erben letzten Endes - wertmäßig - ihren gesetzlichen Erbteil erhalten. Einzuschränken ist dies dahingehend, dass der Pflichtteilsanspruch nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Zahlung in Geld ist.

Der Unterschied liegt darin, dass bei der gesetzlichen Erbfolge beide Töchter Eigentümerinnen von allem zu jeweils der Hälfte geworden wären und nach der jetzigen Gestaltung eine Tochter alles geerbt hat und die andere Tochter einen Anspruch auf Zahlung gegen die Erbin in Höhe des hälftigen Wertes der Erbmasse hat.

Was sich aus dem Sachverhalt soweit nicht ergibt ist die Frage, ob durch diese Gestaltung der Ausschluss der Verzichtenden nachträglich korrigiert werden sollte oder aber ob sich im weiteren Verlauf die Erblasserin dazu entschlossen hatte, die Verzichtende zu bedenken und die andere Tochter tatsächlich vom Erbe auszuschließen. Da die Sache im Berufungsverfahren (2. Instanz) entschieden worden ist, ist von letzterem auszugehen. Dies zugrunde gelegt zeigt das Urteil, wie gefährlich es ist, ohne ausreichend kompetente rechtliche Beratung durch gerichtlichen Vergleich einen Erbverzicht zu erklären und dass es sinnvoll ist, bei größeren Vermögensmassen die Verteilung durch rechtliche Beratung im Vorfeld zu regeln und gegebenenfalls im Anschluss durch ein notarielles Testament zu verfestigen.

 

 

Nutzungsentschädigung bei Vorenthalten der Mietsache

Das Amtsgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 16.06.2021 (AG Brandenburg, Urteil vom 16.06.2021 - 31 C 51/20) hinsichtlich einer Nutzungsentschädigung des Vermieters bei verspäteter Rückgabe der Mietsache festgestellt, dass diese dann im Wege einer Schätzung auf der Grundlage eines Zuschlages von 10 % zu den Werten des örtlichen Mietspiegels zu ermitteln ist.

Die Miete betrug ursprünglich insgesamt 334,00 €, wobei diese sich aus 250,00 € Nettokaltmiete und 84,00 € Betriebskostenvorauszahlung zusammensetzte. Das Mietverhältnis wurde von den Mietern zum 31.12.2018 gekündigt. Diese zogen jedoch nicht aus. Neben anderen interessanten rechtlichen Streitigkeiten, die das Amtsgericht in seinem Urteil behandelt verlangte der Vermieter mit Schreiben vom 12.03.2019 ab Januar 2019 Nutzungsentschädigung in Höhe von 425,25 € je Monat. Das Gericht stellt einerseits klar, dass der Anspruch auf Nutzungsentschädigung ein eigener Anspruch ist, der an die Stelle des Mietzinsanspruches tritt. Maßgeblich sei hier die Marktmiete, die im Falle einer Neuvermietung erzielt werden kann. 

 

Grundsätzlich wäre zu beachten, ob sich die Mietsache in einem von der Landesregierung bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt befindet. Im hier entschiedenen Fall war dies nicht so. Das Gericht kam daher dazu, dass die Marktmiete im Wege einer Schätzung auf Grundlage eines Zuschlages von 10% zu den Werten des örtlichen Mietspiegels zu ermitteln sei. Allerdings kam das Gericht im entschiedenen Fall nicht auf 7,00 € pro Quadratmeter, sondern nur auf 6,47 € pro Quadratmeter und somit nur auf eine insgesamt zu zahlende Nutzungsentschädigung in Höhe von 399,41 EUR pro Monat und nicht 425,25 €.

 

Allerdings sei Verzug erst mit dem Schreiben vom 12.03.2019 eingetreten, weshalb auch erst ab diesem Zeitpunkt die erhöhte Miete (Nutzungsentschädigung) zu zahlen sei. Die Mieter hatten bis dahin die alte Miete gezahlt, die erhöhte Nutzungsentschädigung sei mangels Fälligkeit bzw. Verzug nicht geschuldet gewesen. 

 

Für den Vermieter ist daher zu beachten:

 

War eine relativ günstige Miete vereinbart, ist das Mietverhältnis gekündigt und zieht der Mieter nicht aus sollte daher kurzfristig die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt werden und gegebenenfalls mit einem Zuschlag von 10% unverzüglich eingefordert werden. Hierbei sollte die Zustellung beweissicher erfolgen.

 

Im entschiedenen Fall Wollten die Mieter die Kündigung “zurückziehen”. In diesem Zusammenhang macht das Gericht interessante Ausführungen zu der Möglichkeit eines solchen “Zurückziehens der Kündigung”, zum Schriftformerfordernis, zur Vertretungsproblematik bei Eheleuten, zur stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 545 BGB, was unter Rückgabe und Verschaffung des unmittelbaren Besitzes zu verstehen ist und schließlich und ganz entscheidend, wann die Mietsache gegen den Willen des Vermieters nicht zurückgegeben und somit vorenthalten wird.

 

Interessant ist an dem Urteil, dass die Jahres-Nettokaltmiete  3.000,00 € beträgt und die Mieter an Betriebskosten (Vorauszahlungen + Abrechnung) 4.666,77 € zahlen mussten und somit die Betriebskosten um die Hälfte höher als die eigentliche Miete liegen. Dies wird jedoch im Urteil nicht weiter thematisiert.

 

Insofern ist das Urteil sehr gut geeignet, dem Vermieter die möglichen Problematiken im Rahmen der Kündigung und einer etwaigen verspäteten Rückgabe der Mietsache aufzuzeigen. Ebenso zeigt das Urteil, dass es sich um ein sehr komplexes Thema mit vielen Fallstricken handelt, die es schon beim Abschluss des Mietvertrages, jedenfalls aber beim Ausspruch der Kündigung zu beachten gilt. 

Bauliche Veränderungen

 

In bestehenden Wohnungseigentumsanlagen können einzelne Wohnungseigentümer durch beschlossene bauliche Veränderungen einseitig belastet werden. So beispielsweise, wenn ein nachträglicher Aufzugsschacht oder eine Wärmepumpenanlage die Sicht beeinträchtigt oder hiervon störende Geräusche ausgehen und nur einen einzelnen Wohnungseigentümer beeinträchtigen. Hier stellt sich die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft eine solche Maßnahme beschließen kann bzw. ob sich der einzelne Wohnungseigentümer gegen eine solche bauliche Veränderung wehren kann?

 

Ursprünglich wurden bauliche Veränderungen im Wohnungseigentumsgesetz im § 22 WEG geregelt. Dort war ein abgestuftes System vorgesehen, dass verschiedene Abstimmungs- bzw. Mehrheitsverhältnisse vorsah. So gab es für „einfache” bauliche Veränderungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgingen, das Erfordernis, dass jeder Wohnungseigentümer zustimmen musste, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt waren.

Hatten solche Maßnahmen einen modernisierenden Charakter und haben die Eigenart der Wohnanlage nicht verändert, konnten solche Maßnahmen mit einer sogenannten doppelt-qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln aller Stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden.

Modernisierende Instandsetzung im Sinne einer ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung konnten darüber hinaus mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.

 

Dieses abgestufte und in sich verschachtelte Verfahren barg durchaus seine Tücken und war zum Teil für den Rechtsanwender schwer zu durchblicken.

 

Mit Wirkung zum 01.12.2020 wurde das Wohnungseigentumsgesetz geändert und der Verbandszuständigkeit ähnlich dem Aktiengesetz zugeführt. Neben vielen anderen Regelungen wurden insbesondere die Regelungen über die baulichen Veränderungen neu kodifiziert.

 

Zunächst einmal wurde der Grundsatz des „einfachen” Mehrheitsbeschlusses festgelegt. Die baulichen Veränderungen sind nunmehr in § 20 WEG einheitlich geregelt. Hier besteht der Grundsatz des einfachen Mehrheitsbeschlusses.

 

Bauliche Veränderungen wurden durch den Gesetzgeber legal definiert und es handelt sich dabei um Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Solche baulichen Veränderungen können nunmehr durch einfache Mehrheit beschlossen werden oder solche baulichen Veränderungen können durch einfache Mehrheit einen Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Somit sieht die neue Regelung einerseits die Durchführung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund eines entsprechenden Mehrheitsbeschlusses vor und andererseits die Gestattung der Durchführung einer baulichen Veränderung durch einen Wohnungseigentümer.

 

In Absatz 2 werden einige privilegierte Maßnahmen beschrieben, die von jedem Wohnungseigentümer verlangt werden können. Das heißt, dass jeder Eigentümer eine entsprechende bauliche Veränderung verlangen kann und für den Fall, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung eine solche privilegierte Maßnahme ablehnen, er einen klageweise durchsetzbaren Anspruch auf einen entsprechenden positiven Beschluss hat. Somit besteht für jeden Wohnungseigentümer das Recht eine bauliche Veränderung zu verlangen die,

 

  1. den Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,

  2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,

  3. dem Einbruchschutz und

  4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität

 

dient.

 

Solche Maßnahmen können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden und wenn auf Antrag eines Wohnungseigentümers ein solcher Beschluss nicht getroffen wird, hat der Betroffene Wohnungseigentümer ein gerichtlich durchsetzbares, das heißt einklagbares Recht darauf, einen solchen Beschluss zu beschließen. Ein solches gerichtliches Vorgehen würde in Form der Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 WEG durchgeführt werden.

 

Absatz 3 des § 20 WEG regelt, dass einem einzelnen Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen zu gestatten sind, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, mit dieser Maßnahme einverstanden sind. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich, dass bauliche Veränderungen einem Wohnungseigentümer immer dann auch ohne Beschluss gestattet sind, wenn sie keinen anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen. Ein solcher Fall kann beispielsweise bei Veränderungen des Gemeinschaftseigentums, das innerhalb des Sondereigentums liegt (bspw. tragende Wand) vorliegen, wenn keinerlei Risiken oder Gefahren für das Gemeinschaftseigentum vorliegen, das heißt insbesondere sämtliche erforderlichen statischen Berechnungen und Maßnahmen beachtet und durchgeführt werden.

 

Abschließend stellt § 20 WEG in seinem Absatz 4 klar, das Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen oder gestattet werden dürfen und auch nicht verlangt werden können.

Was unter einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage zu verstehen ist, wird in der Gesetzesbegründung nicht klar zum Ausdruck gebracht. Dies ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Allerdings kann hierunter wohl einerseits die grundlegende Veränderung des äußerlichen Aussehens verstanden werden, sowie die grundlegende Veränderung der Nutzung. Dies wird jedoch meist, auch wenn es im Einzelfall zu prüfen ist, relativ auffällig und damit leicht feststellbar sein.

Viel entscheidender und meist für den betroffenen Wohnungseigentümer schwerer darstellbar ist jedoch die Frage, ob eine vermeintlich beschlossene bauliche Veränderung eben diesen Wohnungseigentümer gegenüber den anderen unbillig benachteiligt. Eine unbillige Benachteiligung liegt vor, wenn die Maßnahme den Wohnungseigentümer gegenüber den anderen einen beachtenswerten Nachteil bringt. Auch diese Formulierung ist ausfüllungsbedürftig. So liegt eine beachtenswerte Benachteiligung insbesondere immer dann vor, wenn der einzelne oder die einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber den anderen ungleich behandelt wird oder werden, diesen Wohnungseigentümer daher größere Nachteile zufließen als den anderen und diese Benachteiligung treuwidrig erscheint, das heißt insbesondere durch etwaige Vorteile nicht ausgeglichen wird. Eine solche Benachteiligung kann immer dann vorliegen, wenn eine bauliche Veränderung Vorteile aber auch Nachteile bringt, die Vorteile allen zufließen, die Nachteile jedoch nur einem oder einigen Einzelnen. Dann nämlich tragen die einzelnen auch die Nachteile, wohingegen andere nur und ausschließlich die Vorteile genießen. In einem solchen Fall kann eine unbillige Benachteiligung vorliegen, sodass ein solcher Beschluss nicht getroffen oder gestattet werden darf. Hier ist immer eine Betrachtung des Einzelfalls erforderlich, wobei die soeben getroffenen Aussagen tendenziell richtungsweisend sind.

 

Wird nun eine solche bauliche Veränderung durch einfachen Mehrheitsbeschluss getroffen, beispielsweise Anbau eines Aufzugschachtes und dadurch Sichtversperrung bzw. Verschattung eines einzelnen Wohnungseigentümers, so könnte sich die Frage stellen, was es heißt, dass ein solcher Beschluss nicht getroffen werden „darf”?

 

Der Gesetzgeber spricht im Wohnungseigentumsgesetz teilweise vom nicht „können” und vom nicht „dürfen”. Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft etwas schon nicht kann, dann hat ein Verstoß hiergegen regelmäßig die Nichtigkeit eines etwaigen Beschlusses zur Folge. Dies eben, weil ein etwaiger wirksamer Beschluss mangels Beschlusskompetenz schon nicht getroffen werden kann.

Andererseits ist es regelmäßig so, dass dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft etwas nicht darf, sie es zwar machen kann aber ein solcher Beschluss dann eben angreifbar ist, weil das rechtliche dürfen überschritten worden ist. Folge eines solchen Beschlusses ist dessen Anfechtbarkeit, sodass im Fall der baulichen Veränderung und der unbilligen Benachteiligung eines Wohnungseigentümers ein solcher Beschluss eben anfechtbar wäre.

 

Dies hat zur Folge, dass ein solcher Beschluss mit der Anfechtungsklage im Sinne des § 44 Abs. 1 Alt. 1 WEG anzufechten wäre. Hierbei wiederum sind unbedingt die Fristen der Anfechtungsklage im Sinne des § 45 WEG zu beachten, wonach die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden muss. Hierbei ist zu beachten, dass ein Beschluss mit der Abstimmung und der Verkündung gefasst worden ist und ab diesem Zeitpunkt die Frist läuft. Häufig erfolgt unmittelbar nach der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung die Verkündung und die Verkündung des Beschlusses wird im Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vermerkt. Hier beginnt die Monatsfrist bereits mit dem Zeitpunkt der Verkündung, das heißt mit dem Tag der Wohnungseigentümerversammlung zu laufen. Häufig begegnet einem in der Praxis der Fehler, das gewartet wird, bis das Protokoll der Versammlung übersendet wird und dann - obwohl grundsätzlich die Kenntnis der Monatsfrist vorliegt - davon ausgegangen wird, die Monatsfrist beginne erst mit der Zustellung des Protokolls zu laufen. Dies ist jedoch unzutreffend und die Monatsfrist kann dann häufig schon abgelaufen sein. Dies gilt es unbedingt zu beachten.

 

Häufig werden im Rahmen der baulichen Veränderungen verschiedene Alternativen vorgelegt und die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt dann eine vermeintlich günstige Variante, obwohl diese einen einzelnen Wohnungseigentümer oder einige wenige Eigentümer unbillig benachteiligt. In einem solchen Fall ist neben der Anfechtungsklage des Beschlusses, der die Betroffenen unbillig benachteiligt immer auch an eine Beschlussersetzungsklage im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG zu denken. Die zwingend erforderliche Vorbefassung wäre in einem solchen Fall bereits gegeben. Gibt es jedoch neben der geschlossenen Variante andere Alternativen ist schon fraglich, ob die Beschlussersetzungsklage das richtige Mittel ist, da das Gericht sein Ermessen grundsätzlich nicht an die Stelle des Ermessens der Wohnungseigentümergemeinschaft stellen darf. Dann könnte durchaus darüber nachgedacht werden, ob die Anfechtungsklage mit einem Feststellungsantrag verbunden wird, dass zukünftig zu beschließende bauliche Veränderungen den klagenden Wohnungseigentümer nicht in ähnlicher Weise in seinen Rechten beeinträchtigen darf. Hierbei wird der Schwerpunkt einer etwaigen Feststellungsklage sicherlich in der Definition der „ähnlichen Weise” liegen, da eine Klage grundsätzlich dem Bestimmtheitszwang unterliegt und ein Feststellungsinteresse gegeben sein muss.

Für einen kurz vor dem Tod veräußerten Vermächtnisgegenstand gibt es keinen Wertersatz

Im Fall des OLG Koblenz, Beschluss vom 21.12.2020 – 12 U 140/20 hat die Erblasserin kurz vor ihrem Tod einen in ihrem Testament benannten Vermächtnisgegenstand verkauft und den Kaufpreis vereinnahmt. Die Erblasserin hatte 3 Kinder, die sie mit notariellen Testament zu Erben einsetzte und vermachte ihrem Lebenspartner, den sie auch zum Testamentsvollstrecker einsetzte per Vermächtnis ihren VW Polo bzw. ein eventuelles Nachfolgefahrzeug.

Nur vier Monate vor ihrem Ableben veräußerte die Erblasserin den Polo und vereinnahmte den Kaufpreis. Als Testamentsvollstrecker überwies sich der Lebenspartner später den Verkaufserlös. Eines der Kinder erhob Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug in den Nachlass. Der Klage wurde stattgegeben, der Lebensgefährte ging in Berufung. Das nun zuständige OLG wies in einem Hinweisbeschluss darauf hin, dass die Berufung des Testamentsvollstreckers erfolglos bleiben dürfte, und riet zur Rücknahme der Berufung. Da dies nicht erfolgt ist, wies das OLG die Berufung zurück.

Nach Auffassung des OLG war der Lebensgefährte zu Unrecht bereichert, womit der Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB folgt. Einen Rechtsgrund, den vereinnahmten Erlös behalten zu dürfen, sah das OLG im entschiedenen Fall nicht. Grundsätzlich gilt gem. § 2169 Abs. 1 BGB, dass ein Vermächtnis unwirksam ist, wenn sich ein im Testament genannter Vermächtnisgegenstand zum Todeszeitpunkt nicht mehr im Nachlass befindet.

Zwar kann der (ursprüngliche) Anspruch auf das Vermächtnis in einen Wertersatzanspruch umschlagen. Dies gilt gem. § 2169 Abs. 3 BGB aber nur, wenn dies dem Erblasserwillen entspricht oder der Gegenstand dem Erblasser entzogen wurde oder unterging. Eine freiwillige Veräußerung des Vermächtnisgegenstandes stellt weder eine Entziehung (die Erblasserin hatte freiwillig veräußert) dar, noch bewirkt sie dessen Untergang (das Fahrzeug gibt es ja noch).

Entsprechend ist § 2169 Abs. 3 BGB nicht einschlägig. Mangels Regelungslücke kommt eine analoge Anwendung des § 2169 Abs. 3 BGB ebenfalls nicht in Frage. Ein allgemeiner Surrogationsgedanke, auf den eine Analogie gestützt werden könnte, gibt es in den Regelungen des Vermächtnisrechts nicht.

 

Somit wäre es einzig und allein auf einen anderweitigen Erblasserwillen angekommen. Dieser ist die Ausnahme, nicht die Regel. Im Rahmen einer Beweisaufnahme konnte ein angehörter Zeuge einen solchen gegenteiligen Erblasserwillen nicht bestätigen. Auch das vorliegende notarielle Testament, das sich zu einem solchen Erblasserwillen ebenfalls ausschwieg, sprach nicht für einen solchen Erblasserwillen. Der Notar hätte dies dann sicherlich geregelt. Tatsächlich war der Lebensgefährte auch durch ein Sparguthaben bereits wirtschaftlich abgesichert, womit auch nicht mit einem etwaigen Versorgungswillen der Verbleib des Verkaufserlöses beim Lebensgefährten hätte dargestellt werden können. Schlussendlich hatte der Lebensgefährte “nur” die Stellung eines Vorvermächtnisnehmers hinsichtlich des Pkw.

 

Insofern ist in solchen Fällen das Vermächtnis schlicht weg, wenn nicht ausnahmsweise der Beweis eines anderweitigen Erblasserwillens gelingt.

Steuerhinterziehung im Cum/Ex-Prozess

Das OLG Frankfurt am Main hat den Haftbefehl eines Beteiligten, wobei es sich wohl um Hanno Berger handelt, rund um den cum/ex-Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden bestätigt (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 09.03.2021 -2 Ws 132/20). Hierbei wertete es die Steuerhinterziehung auch als gewerbsmäßigen Bandenbetrug.

 

Aus der Pressemitteilung geht hervor (siehe unten), dass, Zitat:

 

„insoweit inhaltlich falschen Steuerbescheinigung unter missbräuchlicher Ausnutzung des formalisierten Steuersystems die Finanzbehörden irrtumsbedingt zur Auszahlung der tatsächlich vorher nicht einbehaltenen Steuern zum Nachteil des deutschen Steuerzahlers veranlasst“

worden seien.

 

Soweit ersichtlich liegt eine Volltextveröffentlichung noch nicht vor. Diese Pressemitteilung wirft jedoch Fragen auf. Nach herrschender Meinung ist die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) lex specialis gegenüber Betrug (§ 263 StGB). Das heißt, es liegt ein Exklusivitätsverhältnis vor, so dass § 370 AO zur Anwendung kommt und § 263 StGB verdrängt wird (BGH, Urteil vom 14.12.1983 - 3 StR 452/83, m.w.N.).

 

In der Pressemitteilung weist das OLG Frankfurt bereits darauf hin, dass die Schweiz bei Delikten aus dem Kernstrafrecht ausliefere, nicht aber bei Steuerdelikten. Insofern bleibt die Volltextveröffentlichung abzuwarten, um die dogmatische Herleitung zu überprüfen.

 

Pressemitteilung 16/2021:

 

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main führte gegen den gegenwärtig in der Schweiz befindlichen Angeklagten ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem sog. Cum-Ex-Skandal. Der Angeklagte soll „als spiritus rector ein Betrugssystem entwickelt und umgesetzt“ haben, das als „Cum-/Ex“-Leerverkaufsmodell bekannt wurde. Ziel sei es gewesen, sich eine einmal einbehaltene Steuer zweimal auszahlen zu lassen. Das Landgericht Wiesbaden hatte auf die Anklageschrift vom 27.9.2017 hin das Hauptverfahren mit Beschluss vom 10.12.2019 eröffnet und gegen den Angeklagten wegen der Tatvorwürfe am 26.10.2020 einen Haftbefehl erlassen. Der Angeklagte bestreitet die Tatvorwürfe.

Die gegen den Erlass des Haftbefehls gerichtete Beschwerde des Angeklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der Senat wertet den Umstand, dass sich der Angeklagte einen Tag nach der Durchsuchung in die Schweiz begeben hatte, als Flucht. Es sei davon auszugehen, dass der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Ausbildung gewusst habe, dass die Schweiz wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefere.

Es bestehe der dringende Tatverdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie der Steuerhinterziehung. Der Senat hat das sog. Cum-/Ex-System dahingehend zusammengefasst, dass in einem ersten Schritt „als Vorbereitung für den von Anfang an geplanten Betrug durch Kombination von im Einzelnen zulässigen Finanzinstrumenten ein tatsächlich existierender Aktienbestand quasi gespiegelt“ worden sei. Dies sei geschehen, „um scheinbar einbehaltene und damit vermeintlich gezahlte Steuern auf Dividenden vorzutäuschen, mit dem Ziel, darüber eine zweite, tatsächlich unberechtigte Steuerbescheinigung zu erhalten“. In einem zweiten Schritt seien dann „unter Vorlage dieser zweiten insoweit inhaltlich falschen Steuerbescheinigung unter missbräuchlicher Ausnutzung des formalisierten Steuersystems die Finanzbehörden irrtumsbedingt zur Auszahlung der tatsächlich vorher nicht einbehaltenen Steuern zum Nachteil des deutschen Steuerzahlers veranlasst“ worden. Alleiniges Ziel sei es dabei von Anfang an gewesen, „dieses System solange als möglich zu betreiben und dabei so viel wie möglich unberechtigte Steuerzahlungen für die Bande zu erhalten“. Zur Durchführung habe es einer größeren Anzahl von Personen bedurft, „die in einem bestimmten Zeitfenster miteinander verzahnt nach einer vorherigen Absprache konkret aufeinander abgestimmte Finanztransaktionen durchführen“. Die erlangten Gelder in Höhe von 113 Mio. € seien nach einer bestimmten, vorher vereinbarten Quote unter den Mitgliedern des vom Senat als Bande gewerteten Zusammenschlusses mit weiteren fünf Angeklagten und einem verstorbenen Mitglied aufgeteilt worden.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.3.2021 (2 Ws 132/20)
(vorausgehend Landgericht Wiesbaden, Beschluss vom 26.10.2020 (6 KLs 1111 Js 27125/12)

Erläuterungen:

Die Schweiz hat das Europäischen Auslieferungsübereinkommen ratifiziert, wonach Auslieferungen wegen Delikten aus dem Kernstrafrecht erfolgen, nicht aber das zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen, das die Auslieferung wegen Steuerdelikten regelt.

Gewerbsmäßiger Bandenbetrug ist gem. § 263 Abs. 5 StGB ein Verbrechen mit einem Strafrahmen von 1-10 Jahren.

Ergänzung:

Mit Beschluss vom 01.09.2021 hat das Landgericht Wiesbaden festgestellt, dass eine Strafbarkeit wegen Betrug nicht vorliegt und die steuerrechtlichen Strafvorschriften spezieller sind (Landgericht Wiesbaden, Beschluss vom 01.09.2021 - 6 KLs - 1111 Js 18753/21), Zitat:

"Insgesamt sprechen daher bessere Gründe dafür, aufgrund der geltenden Gesetzeslage von einer umfassenden Spezialität der steuerrechtlichen Strafvorschriften gegenüber dem Tatbestand des Betruges auszugehen."

Zugang des Erben zum Facebook-Konto

Bereits im Juli 2018 hat der BGH entschieden, dass im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB der Erbe Zugriff auf die Daten eines sozialen Netzwerks des Erblassers hat. Im entschiedenen Fall wollten die Eltern auf das Konto ihrer verstorbenen Tochter zugreifen. Diesen Anspruch hatte der BGH seinerzeit bestätigt. Nunmehr wurde den Eltern seitens Facebook ein USB-Stick mit einer PDF-Datei, die mehr als 14.000 Seiten enthalten hat übersendet und der Anspruch der Eltern sollte so erfüllt werden.

Die Eltern waren der Auffassung, dass die Verpflichtung aus dem Urteil vom Juli 2018 so nicht erfüllt worden sei und  beantragten, gegen Facebook wegen Nichterfüllung der Verpflichtung ein Zwangsgeld zu erlassen. Das angerufene Landgericht hat daraufhin ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 € festgesetzt. Auf eine sofortige Beschwerde der Betreiberin des sozialen Netzwerkes hin wurde der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes dann zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Kammergericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Eltern.

 

Mit Beschluss vom 27.08.2020 - III ZB 30/20 hat der BGH den Beschluss des Kammergerichts aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt, das heißt, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 € zu zahlen ist.

 

Der BGH stellte klar, dass sich bereits aus dem Urteil von 2015, dass der BGH im Juli 2018 bestätigt hatte ergibt, dass den Eltern die Möglichkeit einzuräumen ist, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie es die ursprüngliche Kontoberechtigte – die Tochter der Eltern – konnte. Insofern reicht es nicht aus, den Eltern lediglich Einsicht in die Kommunikationsinhalte zu gewähren, so wie es mit der Übersendung des USB-Sticks erfolgt ist.

 

Zwischen der Tochter und Facebook habe ein Nutzungsvertrag bestanden. In diesen Nutzungsvertrag sind die Eltern mit sämtlichen Rechten und Pflichten als Erben im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Sie haben daher einen Primärleistungsanspruch auf Zugang zu dem Benutzungskonto ihrer Tochter sowie der darin enthaltenen digitalen Inhalten. Sie dürfen das Konto genauso benutzen wie vorher ihre Tochter. Da mit der Übersendung des USB-Sticks dies nicht erfolgt sei und kein vollständiger Zugang zum Benutzungskonto gewährt worden sei, war das Zwangsgeld festzusetzen. Die PDF-Datei bildet das Benutzerkonto nicht vollständig ab. Eine vollständige Abbildung sei nur gewährt, wenn sämtliche Inhalte des Kontos dargestellt seien und auch alle weitere Funktionalitäten eröffnet seien. Klargestellt wird vom BGH, dass hiervon Funktionalitäten, die eine aktive Weiternutzung des Kontos betreffen ausgenommen seien.

 

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vollständiger Zugang zum Konto zu gewähren ist, aber eben nur bis zum Zeitpunkt des Erbfalls. Ein weiteres benutzen des Kontos durch die Erben ist insofern nicht geschuldet und nicht möglich. 

Verjährung von Pflichtteilsergänzung

Der BGH hat mit Urteil vom 13.11.2019 - IV ZR 317/17 entschieden, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche unabhängig von der Kenntnis der Erbberechtigung innerhalb von drei Jahren verjähren. Wird vor dem Erbfall vom Erblasser aus seinem Vermögen etwas an Dritte verschenkt, was ansonsten den quotenmäßigen Anteil für einen Pflichtteilsberechtigten erhöht hätte, so hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Ausgleich, den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.

 

Im entschiedenen Fall ist der Erblasser im Juli 2007 verstorben und hat seine Kinder aus erster Ehe beerbt. In zweiter Ehe heiratete der Erblasser die Mutter des Klägers. Auch diese war zuvor verheiratet. Zum Zeitpunkt der zweiten Heirat war der Kläger bereits geboren, weshalb er davon ausging, dass sein Vater der Ehemann der Mutter aus erster Ehe gewesen sei. Aufgrund Vaterschaftsanfechtungsantrag und weiteren Feststellungsantrag wurde erst am 18.02.2015 festgestellt, dass der im Juli 2007 verstorbene Erblasser der tatsächliche Vater des Klägers war. Der Kläger machte daraufhin Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gegenüber den beiden Kindern aus erster Ehe des Erblassers geltend.

 

Diese teilten zum Einen einen negativen Nettonachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls mit, beriefen sich jedoch insbesondere auf die Verjährung des seinerzeit noch geltenden § 2332 Abs. 2 BGB a.F., nachdem ein solcher Anspruch in drei Jahren von dem Eintritt des Erbfalles an verjährt. Anzumerken ist hierbei, dass es danach zwar eine Gesetzesänderung gab, dass aber der seinerzeitige Absatz 2 des § 2332 BGB lediglich – ohne inhaltliche Änderung – in den § 2332 Abs. 1 BGB übernommen worden ist. Die Verjährungsregelung knüpfte damit in der Vergangenheit und knüpft auch gegenwärtig an den Zeitpunkt des Erbfalls an, das heißt den Tag an dem der Erblasser gestorben ist.

 

Verkürzt dargestellt trug der Kläger im Prinzip vor, dass in seinem Fall die Verjährung nicht anfangen konnte zu laufen, weil er ohne Verschulden keine Kenntnis davon hatte, dass er pflichtteilsberechtigt war und in einem solchen Fall aus verschiedenen rechtlichen Erwägungen eine Verjährung von Ansprüchen auf Pflichtteilsergänzung erst mit Rechtskraft einer Vaterschaftsfeststellung beginnen könne. Dies insbesondere, weil der Pflichtteilsergänzungsanspruch im Prinzip erst mit der Vaterschaftsfeststellung  wirksam entstanden sei.

 

Dem erteilte der BGH eine Absage. Sinn und Zweck der kurzen Verjährung ist es, dem  Beschenkten Klarheit zu verschaffen, ob er das Geschenk behalten kann oder an einen Pflichtteilsberechtigten herausgeben muss. Der Beschenkte Dritte oder Miterbe hat ein berechtigtes Interesse daran, dass er ohne Rücksicht auf den Kenntnisstand des Pflichtteilsberechtigten, an denen der Gesetzgeber erklärtermaßen auch bei der Reform des Erbrechts nicht anknüpfen wollte, nach kurzer Frist sicher sein kann, das Geschenk nicht wieder herausgeben zu müssen.

Insbesondere sei die „Entstehung“ eines Anspruches keine zwingende Voraussetzung der Verjährung, wie § 199 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB zeige.

 

Grundsatz der Verjährungsregelungen sei das Prinzip der Rechtssicherheit. Müsste ein Beschenkter auf unabsehbare Zeit damit rechnen, von Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen zu werden, liefe dies dem der Verjährung zugrundeliegenden Prinzip der Rechtssicherheit zuwider.

 

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass etwaige Pflichtteilsergänzungsberechtigte nach dem Ablauf von drei Jahren nach dem Erbfall unabhängig von der Kenntnis, ob sie pflichtteilsergänzungsberechtigt sind oder nicht, mit dem Anspruch ausgeschlossen sein können, wenn sich seitens der Erben auf Verjährung berufen wird.

 

Insofern kann postuliert werden: Unwissenheit schützt vor Verjährung nicht.

LG Frankfurt a.M.: Ladenschließung wegen Corona gewährt keine Kürzung

gewerbliche Miete

Die  staat­lich ver­ord­ne­te Schlie­ßung einer Verkaufsstätte des Ein­zel­han­dels­ im Zuge der COVID19 (Corona)-Pan­de­mie ist kein Man­gel der Miet­sa­che und führt deshalb nicht zur Minderung der Miete. Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung liegt nicht vor und auch eine Ver­trags­an­pas­sung (Minderung der Mietzahlung) aufgrund einer Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge kommt nach der Entscheidung des Land­ge­richts Frank­furt a. M. Urteil vom 02.11.2020 - 2-15 O 23/20 nicht in Betracht. Eine Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage komme nur aus­nahms­wei­se bei Existenzbedrohung des Mieters in Be­tracht.

 

Bei der beklagten Mieterin handelt es sich um ein Bekleidungsgeschäft mit mehreren Filialen deutschlandweit. Die Filiale in Frankfurt am Main musste vom 18.03.2020 bis 20.04.2020 aufgrund einer Anordnung des Landes Hessen im Zuge der Corona-Pandemie geschlossen werden. Dies führte - im Vergleich zum Vorjahr - zu einem Umsatzrückgang von 54 % im März 2020 und 41 % im April 2020. Die Beklagte berief sich auf erhebliche Verluste, weshalb sie die Miete für April 2020 nicht habe begleichen können. Die Vermieter klagt Miete in Höhe von rund 6.000 EUR ein.

 

Die Schließungsanordnung aufgrund Corona ist kein Mietmangel

Grundsätzlich können auch öffentlich-rechtliche Einschränkungen oder Verbote auch - und gerade - bei der Vermietung von Gewerberäumen einen Mietmangel darstellen. Voraussetzung sei jedoch, dass der Grund der staatlichen Nutzungsuntersagung in dem Mietobjekt selbst oder seiner Beziehung zur Umwelt begründet sei. Diese Voraussetzung sei bei Betriebsschließungen in Folge von Anordnungen wegen der Corona-Pandemie jedoch nicht der Fall. Die öffentlich-rechtlichen Maßnahmen dienten dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Eine unmittelbare Anknüpfung an die Beschaffenheit der Mietsache liege nicht vor. Anknüpfungspunkt sei der Umstand, dass in den Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies (Neu-)Infektionen begünstige.

 

Zitat:

„Die hoheitlichen Maßnahmen dienen dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allgemein an deren Nutzungsart sowie dem Umstand, dass in den Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden“

 

Keine Unmöglichkeit

Während der behördlich angeordneten Schließung konnte die Beklagte die Mietsache nicht als Verkaufsraum nutzen. Damit habe sich allerdings lediglich das sog. Verwendungsrisiko verwirklicht, welches allein die Beklagte als Mieterin zu tragen habe. Die Mietsache befand sich entsprechend der Hauptleistungspflicht der Kläger, in gebrauchstauglichem Zustand. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, lag nicht an der Sache selbst - das Verwendungsrisiko liegt (allein) beim Mieter.

 

Es liegt keine Störung der Geschäftsgrundlage vor

Eine Vertragsanpassung bzw. Reduzierung der Miete nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage könne ebenfalls nicht verlangt werden. Läge ein unvorhersehbares Ereignis vor könne eine Vertragspartei zwar grundsätzlich eine Änderung, hier der vereinbarten Mietzahlungen fordern, wenn „dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden (…) Ergebnisses unabweislich erscheint“. Dies sei aber auf absolute Ausnahmefälle beschränkt.

Ein solcher extremer Ausnahmefall, läge nur bei existenziell bedeutsamen Folgen vor. Ein solcher wurde von der beklagten Mieterin nicht vorgetragen bzw. dargelegt. Zeitweilige finanzielle Engpässe reichten hierfür (allein) nicht aus. Insofern ist das - zunächst - unternehmerisches Risiko. Dies gelte erst recht, da sie durch entsprechende Gesetzesänderungen vom 27.03.2020 vor einer Kündigung wegen Zahlungsverzug aufgrund COVID 19 geschützt worden sei (Art. 240 § 2 EGBGB - Anm. d. Verf.). Außerdem habe das Unternehmen der Beklagten Kurzarbeit eingeführt, wodurch sie beträchtliche Einsparungen verbuchen könne.

Eigenbedarfskündigung zur rein gewerblichen Nutzung

 

Bereits mit Urteil vom 26.09.2012 – VIII ZR 330/11 hatte der BGH entschieden, dass die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarf zur rein beruflichen Nutzung zulässig sein kann, weil das hierdurch begründete Interesse des Vermieters den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Gründen gleichwertig sei. Dieses Urteil hatten das Amtsgericht Charlottenburg (Urteil v. 19.01.2015 – 211 C 381/13) und danach das Landgericht Berlin (Urteil v. 13.01.2016 – 18 S 74/15) zum Anlass genommen, zu postulieren, dass ein Nutzungsbedarf für (frei-)berufliche oder gewerbliche Zwecke den in § 573 Abs. 2 BGB angeführten Kündigungsgründen (schuldhafte Pflichtverletzung, Eigenbedarf für sich, Familien- oder Haushaltsangehörige, wirtschaftliche Verwertung) generell gleichzusetzen sei. (Auch wenn die Räumungsklage letzten Endes wegen dem Berliner Zweckentfremdungsgesetz abgewiesen wurde.)

Dies ist jedoch unzutreffend, wie der BGH jetzt mit Urteil vom 29.03.2017 – VIII ZR 45/16 klarstellte. Ob ein (frei-)beruflicher oder gewerblicher Bedarf des Vermieters die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarf rechtfertigt, lässt sich nicht allgemein beantworten (BGH a. a. O. Rz. 18).

Die Aufzählung in § 573 Abs. 2 BGB sei jedenfalls nicht abschließend, sondern beispielhaft wie das das Wort „insbesondere“ zeige. Daher umfasse und gewähre der § 573 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch eine Eigenbedarfskündigung die im (frei-)beruflichen oder gewerblichen Bedarf des Vermieters motiviert ist. Allerdings sei immer eine Einzelfallbetrachtung und Abwägung nötig.

Hierzu stell der BGH auf die beiden gesetzlichen Tatbestände des § 573 Abs. 2 Ziff. 2 BGB – Eigenbedarf zu Wohnzwecken und § 573 Abs. 2 Ziff. 3 BGB – Verwertungskündigung ab.

  1. Die Eigenbedarfskündigung des Vermieters zu Wohnzwecken sei personal bezogen. Es reichen daher nachvollziehbare und vernünftige Gründe aus. Es reicht somit ein ernsthafter Nutzungsentschluss.

 

  1. Die Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung weise demgegenüber nur einen geringen personalen Bezug auf. Zusätzlich zu den nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen ist es daher notwendig, dass dem Vermieter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile entstünden.

 

Die Eigenbedarfskündigung wegen (frei-)beruflichen oder gewerblichen Bedarf des Vermieters habe einerseits weniger personalen Bezug als die Kündigung zu Wohnzwecken, andererseits liege keine reine Verwertung vor, da es nicht um die Ertragskraft der Mieträume oder Grundstücks an sich ginge (Verkauf, Abriss, Neubau oder Ähnliches), sondern um die Ermöglichung einer unter Einsatz dieses „Sachmittels“ ausgeübten (frei-)beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit.

Die Eigenbedarfskündigung wegen (frei-)beruflichen oder gewerblichen Bedarf des Vermieters liege daher zwischen den beiden gesetzlichen Tatbeständen. Je nachdem ob eine gemischte Nutzung beabsichtigt sei oder eine rein (frei-)berufliche oder gewerbliche Nutzung, reiche es aus, wenn dem Vermieter ein beachtenswerter Nachteil entstünde (beabsichtigte gemischte Nutzung). Bei nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen dürfte das häufig der Fall sein. Umso untergeordneter die Nutzung zu Wohnzwecken ist, umso höhere Anforderungen sind an die zu erwartenden Nachteile des Vermieters zu stellen. Bei einer rein (frei-)beruflichen oder gewerblichen Nutzung müsse der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, wobei allerdings nicht zwingend der Grad von erheblichen Nachteilen im Sinne des § 573 Abs. 2 Ziff. 3 BGB erreicht werden müsse.

Im Übrigen ändert der BGH seine Rechtsprechung und stellt fest, dass eine Abwägung allein im Rahmen der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG zu erfolgen habe und die Berufsfreiheit aus Art 12 I GG, die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 I GG sowie der Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 I GG regelmäßig außer Betracht zu bleiben habe.

Zusammengefasst bedeutet das bei einer beabsichtigten gemischten oder rein beruflichen Nutzung, umso geringer der beabsichtigte Wohnanteil, umso größer müssen die zu erwartenden Nachteile auf Seiten des Vermieters bei einem Fortbestand des Wohnraummietvertrages sein.

Risiko der Gewinnerzielung im Gewerberaummietrecht

 

Bei der Gewerberaummiete werden häufig Verträge über 5, 10, 15 oder mehr Jahre geschossen. Das ist für beide Vertragsparteien durchaus sinnvoll. Der Vermieter kann eine langfristige Auslastung und Rentabilität seines Objektes sichern. Der Mieter kann längerfristig planen und muss keine kurzfristige Kündigung in den gesetzlichen Fristen fürchten. Was aber wenn der Bereich, in dem das Ladenlokal liegt, nicht in dem Maße von kaufinteressiertem Publikum aufgesucht wird, wie beide Vertragspartner es bei Vertragsabschluss erwartet haben?

Sicherlich kommt es immer auf die vertraglichen Regelungen und Absprachen an. Sofern ein ausreichender Kunden- bzw. Besucherstrom Vertragsgrundlage werden soll, muss dies aber ausdrücklich vereinbart werden. Andererseits kann der Vermieter oder der vermietende Bauträger, der ein bestimmtes Planungs- und Belegkonzept hat, dieses in der Vertragsanbahnungsphase vorlegen und zur Grundlage von Verhandlungen machen, ohne Gefahr zu laufen, bei Nichteintritt der Erwartungen Minderungen oder Kündigungen durch die Mieter ausgesetzt zu sein.

Seit langem ist es gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, dass vorbehaltlich anderweitiger Absprachen das Ausbleiben von erwarteten Kundenströmen weder zur Minderung, noch zur Kündigung berechtigt.

Bereits im Jahr 1981 hatte sich der BGH mit einem entsprechenden Fall zu beschäftigen (BGH, Urteil vom 01.07.1981 – VIII ZR 192/80), der jedoch nach wie vor an Aktualität nichts eingebüßt hat.

Geplant war ein Einkaufszentrum mit Wohneinheiten und einem reichhaltig gefächerten Warenangebot - ergänzt durch Freizeitanlagen (Hallenbad, Sauna usw.) sowie sozialen Einrichtungen, wie Kindergärten. Kern des gewerblich zu nutzenden Teiles war eine als Ladenstraße in mehreren Ebenen ausgestaltete Fußgängerzone, an der etwa 100 Geschäftslokale unterschiedlicher Größe errichtet werden sollten und an dessen Südende sich ein Komplex zum Betreiben eines Supermarkts befand. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Supermarktes übernahm ein  Warenhaus diese Einheit und mietete weitere Ladeneinheiten an, wobei das Warenhaus durch zusätzliche Aufzüge unmittelbar mit dem unter der Ladenfläche gelegenen Parkplatz verbunden wurde.

Die in dem entschiedenen Fall Beklagte Mieterin, die einen Schuheinzelhandel mit zahlreichen Filialen betrieb, mietete eine noch zu errichtende Ladeneinheit gegen einen Mietzins von seinerzeit jährlich 122.488,50 DM zuzüglich Nebenkosten auf die Dauer von zehn Jahren an.  Grundrisszeichnungen und Baubeschreibungen waren dem Vertrag beigefügt. Die Mieterin verpflichtete sich zum Betrieb eine Schuheinzelhandels mit dem üblichen Sortiment. Aufrechnung, Minderung oder Zurückbehaltung konnte im Laufe eines Kalenderjahres höchstens mit dem Betrag einer Monatsmiete ausgeübt werden.

Schon bald nach der Eröffnung zeigte sich, dass die Inanspruchnahme des Geschäftszentrums durch die Käufer weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Rund 20 % der Geschäftslokale konnte von vornherein nicht vermietet werden, einige Mieter eröffneten ihren Betrieb erst gar nicht, die Hälfte der Mieter stellte in der Folgezeit den Geschäftsbetrieb ein. Mehrere geplante Einrichtungen - etwa die Überdachung der Ladenstraße, ein Hallenbad, eine Sauna und die Kindergärten - wurden nicht errichtet. Zunächst verlangte die Vermieterin für rund 5 Jahre nur den halben Mietzins. Danach wurde der volle Mietpreis verlangt. Die Beklagte zahlte diesen nicht, weil die in Aussicht gestellten Erwartungen nicht erfüllt und die geplanten weiteren Einrichtungen nicht realisiert wurden. Außerdem zögen die nachträglich installierten Fahrstühle zusätzlich Publikumsverkehr ab, da diese direkt in das Warenhaus führten.

Die Vorinstanzen haben der Klage auf Zahlung des weiteren Mietpreises stattgegeben. Die - zugelassene - Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Unabhängig davon, dass ausweislich des Mietvertrages das Minderungsrecht auf eine Monatsmiete beschränkt sei, hatte die Mietsache weder einem Mangel, noch fehlte ihr eine zugesicherte Eigenschaft. Das Ladenlokal selbst entspreche der Bauzeichnung und Baubeschreibung. Dass in der Gesamtausgestaltung einzelne geplante Baumaßnahmen gestrichen oder zurückgestellt worden seien, stelle keinen Mangel der Mietsache dar.  Ein nicht realisierter U-Bahn-Anschluss, die Gesamtüberdachung der Ladenstraße oder die Errichtung von Hallenbad, Sauna und Kindergärten, die erkennbar außerhalb der Zuständigkeit der Vermieterin lägen, seien nicht vertraglich zugesichert worden.

All dies sei auch nicht zur Grundlage des Vertragsschlusses (Geschäftsgrundlage) geworden, weil die nicht erfüllten Gewinnerwartungen ausschließlich in den Risikobereich der beklagten Mieterin fielen. Das gelte auch insoweit, als sich Kaufwillige durch erheblichen Leerstand von einem Besuch des Einkaufszentrums abhalten ließen.

Der BGH führte aus, nur wenn die tatsächlichen Umstände und die rechtlichen Verhältnisse die Tauglichkeit der Mietsache unmittelbar beeinträchtigen, kann ein rechtlich relevanter Fehler (=Mangel) vorliegen. Entscheidend sei insofern der vereinbarte (isoliert zu betrachtende) Verwendungszweck.

Wenn jedoch das kaufinteressierte Publikum ganz allgemein nicht in dem erwarteten Maße den Bereich, in dem sich das vermietete Ladenlokal befindet, besucht, - etwa weil der Verkehrsstrom in dem Bereich, in dem das Ladenlokal liegt, weitgehend vorbeigeleitet wird oder die Bevölkerung aus sonstigen Gründen diesen Bereich nicht als Verkaufszentrum “annimmt”, sei der Verwendungszweck an sich nicht berührt. Insofern hatte die Mietsache keinen Mangel. Auch wenn ein geplanter U-Bahn-Anschluss und, eine mit Pavillons und Geschäften ausgestattete Brücke als einladende Verbindung der L-Straße mit dem Einkaufszentrum nicht errichtet worden sei und die Bauherren von der vorgesehenen Überdachung der Fußgängerzone abgesehen hätten, ebenso wie von der Errichtung des Hallenbades, einer Sauna und mehrerer Kindergärten. All das begründe einen Mangel nicht.

Ebenso auf das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft könne sich die Beklagte nicht stützen.

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht auf eine Änderung der Geschäftsgrundlage berufen. Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen, dieser in aller Regel nicht das Recht geben, eine Änderung der Vertragspflichten zu ihren Gunsten herbeizuführen, weil andernfalls die in der Vertragsgestaltung liegende Risikoverteilung in einer für den anderen Vertragspartner nicht tragbaren Weise verändert würde. Insbesondere für das Mietrecht habe der BGH wiederholt ausgesprochen, dass die Erwartung, auf dem zu gewerblichen Zwecken überlassenen Grundstück gewinnbringende Geschäfte abzuschließen und nicht etwa Verlust zu machen, zum Risikobereich des Mieters gehöre.

Das Risiko einer Gewinnerzielung in dem angemieteten Geschäftslokal hatte daher ausschließlich die Beklagte zu tragen.

Zusammengefasst heißt das, ein Vermieter kann sein Objekt unter zu Grunde Legung seines Planungskonzeptes und seiner – idealisierten – Erwartungen anpreisen und vermieten. Selbstredend darf hier kein Missbrauch vorliegen.

Sofern der Mieter ein gewisses Kundenpotenzial oder bauliche Einrichtungen zugesichert haben möchte, muss er dies vertraglich

Keine Haftung für Urheberechtsverletzung durch Gäste

 

Der BGH hat mit Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 86/15 eine klarstellende Entscheidung getroffen, die einem Paukenschlag gleicht. Die Rechtsinhaberin eines Filmwerkes hatte nach erfolgter Abmahnung und Abgabe einer Unterlassungserklärung durch die Beklagte, die Abmahnkosten eingeklagt. Zunächst 1.255,80 EUR, später nur noch 755,80 EUR. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat der Klage dann stattgegeben. Unstreitig war, dass nicht die Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen hat, sondern ihre aus Australien stammende volljährige Nichte und deren volljähriger Lebensgefährte. Denen wurde der W-LAN Anschluss (Passwort) zur Verfügung gestellt, um E-Mails abrufen zu können und zu skypen. Die Beklagte hatte weder ihre Nichte noch deren Lebensgefährten darauf hingewiesen, dass eine Nutzung von Internet-Tauschbörsen zum illegalen Bezug urheberrechtlich geschützten Materials, wie etwa von Filmen, Musik und Computerspielen, zu unterbleiben habe. Eine solche Belehrung sei vor Überlassung des Internetanschlusses an einen volljährigen Dritten, der nicht als Familienangehöriger anzusehen sei, erforderlich.  Das Landgericht stellt somit im Prinzip darauf ab, dass die Nichte und deren Lebensgefährte keine Familienangehörigen im Sinne der Rechtsprechung des BGH seien, zu denen ein dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallendes besonderes Vertrauensverhältnis bestehe (BGHZ 200, 76 Rn. 25 - BearShare).

Ein entsprechender Hinweis sei daher erforderlich gewesen. Da dieser unterblieben sei, hafte die Beklagte eben als Störer.

Diese Annahme nahm der BGH zum Anlass, Klarheit zu schaffen. Die Beklagte haftet nicht als Störerin. Ohne konkreten Anlass war es der Beklagten nicht zuzumuten, ihre volljährige Nichte und deren Lebensgefährten über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft oder seine volljährigen Besucher und Gäste, denen er das Passwort für seinen Internetanschluss zur Verfügung stellt, in einer solchen Weise zu belehren. Entsprechende Anhaltspunkte lagen im entschiedenen Fall nicht vor, die Beklagte war daher zu einer entsprechenden Belehrung nicht verpflichtet.

Die Rechtsprechung des Senats wonach der Inhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet (BGHZ 185, 330 Rn. 20 bis 24 - Sommer unseres Lebens) seien auf Fälle bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Gast zur Verfügung stellt nicht übertragbar (vgl. zur Überlassung an Familienangehörige BGHZ 200, 76 Rn. 25 - BearShare). Die unkontrollierte Eröffnung eines Zugangs zum Internet sei mit der Überlassung des Anschlusses zur Nutzung durch Gäste, Besucher und Mitbewohner nicht vergleichbar.

Auch hätten anders als Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12 , GRUR 2013, 511 Rn. 24 = WRP 2013, 799 - Morpheus) Wohnungsinhaber grundsätzlich keine Aufsichtspflicht gegenüber ihren volljährigen Mitbewohnern und Gästen, die Grundlage einer Belehrungspflicht über die Gefahren der Nutzung von Internet-Tauschbörsen sein könnte.

Der BGH wies darauf hin, dass der Anschlussinhaber im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen seinen Internetanschluss einem volljährigen Familienangehörigen überlassen kann, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen. Erst bei konkretem Anlass muss er Maßnahmen zum Schutz des Internetanschlusses treffen ( BGHZ 200, 76 Rn. 27 f. - BearShare). Hinsichtlich Besuchern, Gästen und Mitbewohnern war die Frage bisher offen.

 

Der BGH hat jetzt klargestellt: für den Wohnungsinhaber besteht auch unabhängig von einer familiären Beziehung gegenüber volljährigen Mitbewohnern und Gästen keine entsprechende Belehrungspflicht. Eine solche Belehrungspflicht wäre regelmäßig unzumutbar.


Der BGH führt aus:

„In der heutigen Medien- und Informationsgesellschaft stellt die Überlassung eines privaten Internetanschlusses an volljährige Gäste und Mitbewohner des Wohnungsinhabers eine übliche Gefälligkeit dar. Sie entspricht dem weit verbreiteten Bedürfnis großer Teile der Bevölkerung zur ständigen Nutzung des Internets. Solange keine Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Nutzungsverhalten bestehen, gewährt der Anschlussinhaber den Zugang zu seinem privaten Internetanschluss gegenüber solchen volljährigen Personen in der berechtigten Erwartung, dass sie die ihnen eröffnete Nutzungsmöglichkeit nicht zur Begehung rechtswidriger Handlungen nutzen.“


Auch eine Verletzung des Unionsrechts sei durch die Entscheidung nicht gegeben. Und die gegenseitigen Grundrechte wurden hinreichend zu Ausgleich gebracht.
 

Nicht ersichtlich sei, dass ein nennenswerter Anteil der Urheberrechtsverletzungen im Internet durch Gäste und Mitbewohner eines Anschlussinhabers begangen werde. Rechteinhaber schütze die sog. sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers ausreichend. Dieser habe vorzutragen, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kämen, wobei der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sei (BGHZ 200, 76 Rn. 16, 18 – BearShare)

 

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts wieder her.

 

Zusammengefasst kann gesagt werden, solange kein konkreter Anlass besteht müssen weder Familienangehörige noch volljährige Mitbewohner, Besucher oder Gäste bei der Zurverfügungstellung eines Internetanschlusses entsprechend belehrt werden.

Schönheitsreparaturen – Aufspaltung schützt nicht vor Unwirksamkeit

 

Der BGH hat mit Urteil vom 18.03.2015 – AZ: VIII ZR 21/13 wieder einmal Recht hinsichtlich Schönheitsreparaturen gesprochen. Im entschiedenen Fall waren unter § 10 Ziff. 4 und 5 des Mietvertrages zum einen Malerarbeiten und zum anderen Lackierarbeiten auf den Mieter abgewälzt. Der BGH entschied, dass auch dann, wenn die Klauseln sprachlich voneinander getrennt sind, diese als einheitliche Regelung zu betrachten seien. Das heißt, auch wenn nur eine Regelung unwirksam ist, strahlt diese Unwirksamkeit in einer Gesamtschau auf die anderen Regelungen aus, so dass alle Schönheitsreparaturvereinbarungen unwirksam seien. Vorliegend waren zwar die Lackierarbeiten nur auszuführen, soweit sie erforderlich wären; allerdings waren die Malerarbeiten an sog. starre Fristen gebunden. Die sogenannte starre Fristenreglung ist bei Schönheitsreparaturen nicht zulässig. Schönheitsreparaturen sind immer nur auszuführen, soweit sie erforderlich sind. Somit war auch die Abwälzung der Malerarbeiten unwirksam – auch wenn diese in einer anderen Ziffer geregelt waren.

Es lohnt sich daher häufig die Schönheitsreparaturklauseln – auf Vermieterseite vor Abschluss des Mietvertrages und auf Mieterseite bei Beendigung des Mietverhältnisses überprüfen zu lassen.

Aktivitäten im Sommer

 

Ob der Sommer heiß und trocken oder kühl und feucht wird, weiß man meist erst im Herbst. Unabhängig davon lädt das Wetter aber zu Aktivitäten im Freien ein. Stellt sich die Frage, was ist mit Lärm im Freien – insbesondere mit Kinderlärm? Kinder dürfen im Garten toben und dabei auch Lärm machen. Lediglich in der Mittagszeit könnte dies nach einem Urteil des LG Hamburg-Wandsbek, AZ: 713 b C 739/95 nur eingeschränkt gelten.

Häufig lädt das Wetter auch zu einem Spaziergang ein. Selbst in den frühen Morgenstunden ist das Verlassen der Wohnung mit einhergehendem kurzfristigem Kindergeschrei im Treppenhaus sozialadäquat und somit zulässig. Das LG München I, Urteil vom 24. 2. 2005 - 31 S 20796/04 spricht insofern von hinzunehmender „Zukunftsmusik“.

Selbst wenn die spielenden Kinder mal ein Ball in des Nachbars Garten schießen, stellt dies keine wesentliche Beeinträchtigung seines Eigentums dar und er muss auch dies hinnehmen. – Jedenfalls solange es nicht mehrere am Tag sind und keine erheblichen Beschädigungen hervorrufen, LG München II, AZ: 5 O 5454/03. Allerdings dürfen die Bälle nicht eigenmächtig wieder herausgeholt werden und schon gar nicht Zäune heruntergebogen werden, wie im entschiedenen Fall. Der Nachbar ist verpflichtet, den Ball wieder heraus zu geben und dementsprechend aufzufordern. Ausnahmsweise ist für diese Aufforderung kein anwaltlicher Rat dringen erforderlich. Überhaupt ist aufgrund der zu erwartenden wärmeren Tage zu empfehlen, „ein Wort mit dem Nachbar zu wechseln“. Gerade wenn das Verhältnis, warum auch immer, leicht unterkühlt ist, findet sich im Sommer immer eine Gelegenheit, den Kontakt wieder aufzunehmen und einen „ersten Schritt“ zu wagen. Denn: eine gerichtliche Klärung wird in nachbarrechtlichen Streitigkeiten so gut wie nie zu einer befriedigenden und schon gar keiner befriedenden Lösung führen.

Unwirksames Mieterhöhungsverlangen nach Mietspiegel

 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 16.09.2014 – 7 S 3431/14 hat entschieden, dass ein Mieterhöhungsverlangen aufgrund eines Mietspiegels unwirksam sein kann, wenn in dem Mietspiegel Preispannen, hier von -21 % bis +21% vorgesehen sind und in dem Mieterhöhungsverlangen darauf nicht hingewiesen wird. Die Vermieterin verlangte die Zustimmung zur Anhebung der Nettokaltmiete. Sie wies daraufhin, dass die Stadt Nürnberg einen Mietspiegel hat, fügte diesen dem Mieterhöhungsverlangen jedoch nicht bei. Auf die Mietpreisspanne, die in dem Mietspiegel der Stadt Nürnberg vorhanden ist, wies die Vermieterin ebenfalls nicht hin.

Das Landgericht Nürnberg entschied, dass das Mieterhöhungsverlangen daher einen formellen Fehler habe und unwirksam sei. Auch wenn das Urteil teilweise Kritik erfahren hat, so ist daraus jedenfalls die Lehre zu ziehen, dass immer dann, wenn durch das Gesetz besondere Begründungen oder Erläuterungen gefordert werden, diese detailliert erfolgen sollten und daher anwaltlicher Rat stets angezeigt ist.

Rauchen als Kündigungsgrund

 

Mit dem vielerseits beachteten Urteils des BGH vom 18.02.2015 – VIII ZR 186/14 hat dieser entschieden, dass starkes Rauchen und dadurch verursachte Geruchsbelästigungen grundsätzlich zur Kündigung berechtigen könne. Allerdings hat der BGH in dieser Sache nicht endgültig entschieden sondern wegen mangelnder Entscheidungsreife die Sache zurück zum Landgericht Düsseldorf verwiesen. Der BGH stellte jedoch auch klar, dass starkes Rauchen und das Leben mit vollen Aschenbechern in der Wohnung grundsätzlich kein Kündigungsgrund sei, sondern einem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache entspreche. Das Landgericht Düsseldorf hatte einen Verstoß gegen die mietvertraglichen Verpflichtungen angenommen, da der Mieter die Wohnung nicht gelüftet und die überquellenden Aschenbecher nicht geleert hatte.

Dies sei rechtsfehlerhaft, so der BGH. Allerdings könne dem Mieter aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme auferlegt werden, einfache und zumutbare Maßnahmen wie bspw. das Lüften über die Fenster zu ergreifen, um einen Abzug in das Treppenhaus und somit eine Störung des Hausfriedens (der anderen Mieter) zu vermeiden. Insbesondere wenn die anderen Bewohner durch die Intensität des Gestanks oder sogar eines gesundheitsgefährdenden Ausmaßes beeinträchtigt werden, könnte nach erfolgter Abmahnung eine Kündigung erfolgen. Dies sei jedoch einer Einzelfallprüfung zu unterziehen, weshalb die Sache zurückverwiesen wurde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es nicht darauf ankommt, ob die Beeinträchtigung der anderen Mieter und somit die Störung des Hausfriedens durch Tabakgeruch oder etwa Schweißgeruch, Tiergeruch, Fäkaliengeruch oder unertragbaren Essensgeruch hervorgerufen wird. Insofern kann die Gefahr einer Kündigung auch den nichtrauchenden Bademuffel treffen.

Abmahnung wegen Filesharing volljähriger Familienangehöriger - keine Umkehr der Beweislast!

 

Der Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 08.01.2014 – AZ: I ZR 169/12 (BearShare) entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für das nutzen eines Filesharingprogramms eines volljährigen Familienangehörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht.Der Beklagte wurde durch ein Anwaltsschreiben seitens der Kläger abgemahnt; die Kläger behaupteten, am 12. Juni 2006 seien über den Internetanschluss des Beklagten über 3.500 Musikaufnahmen, an denen sie – die Kläger - die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen angeboten worden. Der Beklagte gab lediglich eine Unterlassungserklärung ab. Er weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Abmahnkosten zu bezahlen.

Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 3.454,60 € in Anspruch.

Der Beklagte meint, er sei für den angeblichen Schaden und die behaupteten Rechtsverletzungen nicht verantwortlich. Der damals 20-jährige Stiefsohn habe die Musiktitel über den Internetanschluss zugänglich gemacht. Der Stiefsohn des Beklagten hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber der Polizei tatsächlich eingeräumt, mit dem Tauschbörsenprogramm "BearShare" Musik auf seinen Computer heruntergeladen zu haben.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen 2.841 € zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts sei der Beklagte Störer. Er habe allein durch die zur Verfügungstellung seines Internetanschlusses die Gefahr geschaffen, dass über diesen an urheberrechtsverletzenden Musiktauschbörsen teilgenommen werde. Auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung – das heißt ohne Veranlassung - sei es dem Beklagten zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Beklagte habe diese Verpflichtung verletzt, weil er seinen Stiefsohn nicht - jedenfalls nicht hinreichend - belehrt habe.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige erfolgt dies durch den jeweiligen Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit. Volljährige Familienangehörige sind für ihre Handlungen grundsätzlich selbst verantwortlich. Durch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienmitgliedern und der Eigenverantwortlichkeit von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber - etwa aufgrund einer Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte keinerlei Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Teilnahme an Tauschbörsen durch seinen Stiefsohn hatte, haftet er selbst dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen des Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte. Das heißt konkret, solange keine Veranlassung besteht, anzunehmen, dass ein Internetanschluss für illegale Tauschbörsen genutzt wird, spricht vieles gegen eine Haftung des Anschlussinhabers wegen Urheberrechtsverletzung. Dem Urteil zu folge dürfte dies für volljährige Familienangehörige selbst dann gelten, wenn nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Tauschbörsen aufgeklärt wurde.

Zwar habe nach der Entscheidung des BGH „Sommer unseres Lebens“, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast, diese gehe jedoch nicht soweit, dass sie zu einer Umkehr der Beweislast führen dürfe.

Entsprechend folgen die Instanzgerichte diese Richtungsweisung, so: AG Bielefeld vom 24.04.2014 – AZ: 42 C 80/14; LG Bielefeld vom 08.09.2014 – AZ: 20 S 76/14; AG Charlottenburg vom 03.09.2014 – AZ: 213 C 78-14; AG Charlottenburg vom 30.09.2014 – AZ: 225 C 112-14.

 

 

Keine Schönheitsreparaturen bei unrenovierter Wohnung - Rechtsprechungsänderung

 

Mit Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14 „hakt“ der BGH ein weiteres Kapitel in Sachen Schönheitsreparaturen ab – was allerdings zu erwarten war. Sie sind Mieter oder Vermieter und mussten oder konnten feststellen, dass in Ihrem Mietvertrag eine Schönheitsreparaturklausel mit einer sogenannten flexiblen Fristenregelung und einer Abgeltungsklausel steht? D. h. Schönheitsreparaturen sind nicht nach festen Zeiten (Jahren) geregelt, sondern nach Bedarf, auch wenn Zeitangaben grundsätzlich als Orientierung aufgeführt sind – und es ist bei vorzeitigem Auszug eine anteilige Kostentragung geregelt (bei Auszug vor Ablauf einer vereinbarten Frist). Tja, vielleicht haben Sie sich geärgert oder gefreut, je nachdem, auf welcher Seite des Vertrages Sie stehen.

Jedenfalls hat der BGH jetzt entschieden, dass einen solche Klausel – bei einer zu Mietbeginn unrenoviert übergebenen Wohnung - schlicht unwirksam ist. Anders noch in BGH vom 01.07.1987 – VIII ARZ 9/86.

In dem Verfahren vorm BGH ebenfalls vom 18.03.2015 - VIII ZR 242/13 wurde darüber hinaus entschieden, dass eine quotenmäßige Abgeltungsklausel (Kostentragung bei vorzeitigem Auszug) generell unwirksam sei, sofern auf eine hypothetische Fortsetzung des Wohnverhaltens des Mieters und den sich daraus voraussichtlich ergebenden Renovierungsbedarf abgestellt wird.

Es spricht demnach viel dafür, dass solche Klauseln, sofern in Ihrem Mietvertrag vorhanden, unwirksam sein können.

 

 

Gericht „kippt“ Fitness-Schuh

 

Bereits im Jahr 2013 hat sich das OLG Karlsruhe (Urteil vom 27.02.2013 – 6 U 36/12) mit der Problematik eines sogenannten „Fitness-Schuhs“ beschäftigt. Die Beklagte warb in ihrem Katalog mit den streitgegenständlichen Schuhen unter anderem wie folgt: „Die runde Sohlenform steigert die Muskelaktivität.“ – dies „…regt das Herz-Kreislauf-System an und kann zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen.“; „…kann die Aktivierung der Gesäß- und Beinmuskulatur gesteigert werden – bei der Gesäßmuskulatur um durchschnittlich 30 % im Vergleich zu herkömmlichen Freizeitschuhen.“ Auch die „gute Haltung“ werde unterstützt und Cellulite könne vorgebeugt werden.

Das geht so nicht, meint das OLG Karlsruhe und hat die Beklagte dazu verurteilt, es zu unterlassen, so mit diesen Schuhen zu werben.

Der verständige Bürger erwarte, dass er durch die Schuhe in der Gesamtbilanz mehr Muskelaktivität erhalte, quasi bei jedem Schritt, unabhängig von dem Untergrund (Beschaffenheit oder Neigung). Ebenso sei die Werbung so zu verstehen, dass das Herz-Kreislauf-System gegenüber herkömmlichen Fitness-Schuhen intensiver trainiert werde; auch ginge der Bürger davon aus, dass die Muskulatur gekräftigt werde. Dies werde durch die Aussage „sportwissenschaftlich getestet“ verstärkt.

Eine von der Beklagten vorgelegte Studie hat leider nicht den Anforderungen an einen wissenschaftlich belegten Wirksamkeitsnachweis genügt. Im Prinzip wurde nur festgestellt, dass beim Tragen von unterschiedlichen Schuhen unterschiedliche Muskeln beansprucht werden und sich diese Beanspruchung bergauf-, bergab und in der Ebene auch wieder ändern kann. Das hätte einem auch der „gesunde“ Menschenverstand sagen können. Nun ja - was uns das Urteil jedenfalls lehrt ist, dass man sich nicht auf Werbetricks verlassen sollte und zum „fit“ bleiben Aktivität und Bewegung angezeigt ist.

 

 

Rechtskräftig: Mieter darf Vermieter aus der Wohnung „tragen“

 

Vorab Entwarnung für alle Vermieter: diese Aussage hat keine Allgemeingültigkeit. Allerdings hatte der BGH mit Urteil vom 04.06.2014 – AZ: VIII ZR 289/14 einen durchaus amüsanten Fall zu entscheiden. Vermieterin und Mieter hatten bereits 2 Rechtsstreite, bei denen es um das Besichtigungsrecht der Vermieterin ging. Aufgrund der Neuinstallation von Rauchmeldern kam es vereinbarungsgemäß zu einer weiteren Besichtigung durch die Vermieterin. Die Vermieterin wollte auch die anderen Räume (ohne Rauchmelder) besichtigen. Der unmissverständlichen Aufforderung des Mieters, das Haus zu verlassen, kam sie nicht nach. Stattdessen räumte sie eine Fensterbank leer und öffnete das Fenster. Der Mieter umfasste daraufhin die Vermieterin kurzerhand um den Oberkörper und trug sie vor die Haustür.

Dem Mieter wurde daraufhin Fristlos gekündigt und Räumungsklage erhoben. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die eingelegte Berufung hatte Erfolg, das Landgericht verurteilte den Mieter zur Räumung. Die dagegen eingelegt Revision beim BGH hatte wiederum Erfolg und das erstinstanzliche Urteil (Klageabweisung) wurde wiederhergestellt. Komprimiert gesagt, hat die Vermieterin durch ihr eigenmächtiges handeln gegen den ausdrücklichen Willen des Mieters, jedenfalls eine Mitursache für das Heraustragen gesetzt, wenn dieses nicht gar herausgefordert. Diese Tatsache hatte das Landgericht bei seiner Abwägung verkannt.

Der BGH stellte bei dieser Gelegenheit klar, dass mietvertragliche Formularklausen, nach denen ein regelmäßiges Zutrittsrecht (bspw. alle 2 Jahre) oder ein Zutrittsrecht zur „Überprüfung des Wohnzustandes“ besteht, unwirksam sind.

 

 

Was hat das OLG Brandenburg und milde Winter gemeinsam? – Zecken

 

Im Urteil des OLG Brandenburg vom 08.03.2007 – 12 U 186/06 ging es um Schadensersatz wegen nicht erfolgter Aufklärung über eventuelle Nebenwirkungen einer Zeckenschutzimpfung am 17.06.1997. Die Klage wurde erst im Jahr 2005 beim Landgericht Frankfurt (Oder) eingereicht, weshalb die Parteien auch um die Verjährung stritten. Allerdings haben beide Instanzen die Klage aus anderem Grund abgewiesen. Aufgrund des geschilderten Sachverhalts (geplantes Karatecamp im zeckengefährdeten Gebiet) und dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen, was Schadensersatzansprüche ausschließt.

Aufgrund des milden Winters könnte diese Problematik wieder aktuell werden, da milde Winter die Gefahr eines Zeckenbisses erhöhen können. Durch frühzeitige Aktivität kommt es zu vermehrter Eiablage und so zu einer größeren Population. "Ab etwa 7 Grad Celsius Bodentemperatur besteht Infektionsgefahr, denn dann suchen sich Zecken einen Wirt", erklärte Prof. Jochen Süss, Leiter des Nationalen Referenzlabors für durch Zecken übertragene Krankheiten in Jena gegenüber "gesundheit.de". (http://www.t-online.de/ratgeber/gesundheit/beschwerden/id_53867522/erhoehte-zeckengefahr-durch-milden-winter-.html)

Gerade bei Freizeitaktivitäten im hohen Gras, an Rändern von Wäldern und Bachläufen besteht erhöhte Gefahr von Zeckenbissen. Diese können Krankheitserreger, insbesondere Borreliose oder FSME übertragen. Gegen FSME gibt es Impfungen – mit entsprechenden Nebenwirkungen, gegen die Borreliose keine  - jedenfalls keine zugelassenen. Sprays und Cremes können kurzzeitig schützen. Vorbeugend sollte bei Freizeitaktivitäten in gefährdeten Gebieten lange geschlossene Kleidung getragen werden. Nach Beendigung der Aktivitäten kann die Kleidung bzw. der Körper abgesucht und ggf. von Zecken gereinigt werden. Selbst bei einem Biss ohne Impfung besteht aber kein Grund zur Panik. Werden Zecken frühzeitig entfernt dringen nur wenige Krankheitserreger in Körper ein, womit ein gutes Immunsystem in der Regel zurechtkommt. Für ein ungetrübtes Freizeitvergnügen berät und hilft Ihnen bei Bedarf Ihr Arzt – nicht der Anwalt.

 

 

"Montagsauto"

 

Der Bundesgerichtshof hat sich am 23.01.2013 (AZ: VIII ZR 140/12) mit der Frage befasst, wann ein Fahrzeug ein "Montagsauto" ist. Im entschiedenen Fall wurde ein Wohnmobil für 133.743 EUR Ende April 2009 gekauft.

Im Zeitraum von Mai 2009 bis März 2010 brachte der Kläger das Wohnmobil insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt. Er rügte am 16. Mai 2009 zwanzig Mängel (u.a. Knarren der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange, Lösen der Toilettenkassette aus der Halterung während der Fahrt usw.). Am 6. August 2009 und am 1. März 2010 wurden weitere Mängel geltend gemacht. Nachdem der Kläger noch mehr Mängel selbst beseitigt hatte und erneut Garantiearbeiten hatte durchführen lassen, wurde mit Anwaltsschreiben vom 1. April 2011 der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Ebenso wurde erklärt, dass ein Gutachter festgestellt habe, es seien fünfzehn (weitere) Mängel vorhanden, deren Beseitigung 5.464,00 € netto kosten würde. Eine Frist zur Mangelbeseitigung setzte der Kläger nicht, da es sich aufgrund der Vielzahl der Mängel um eine sogenanntes „Montagsauto“ handele.

Der Kläger machte Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich Wertminderung) und Erstattung aufgewendeter Gutachterkosten, insgesamt 125.185,86 € (nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils geltend. Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg – auch die Revision hatte keinen Erfolg.

Nach dem BGH beurteile sich die Bewertung als „Montagsauto“, ob nach dem Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers sich die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug mit einer auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit, das insgesamt mangelhaft ist und auch in Zukunft nicht frei von herstellungsbedingten Fehlern sein wird. Dieser „verständige Käufer“ würde nach dem Verständnis des BGH das Wohnmobil nicht als „Montagsauto“ qualifizieren. Die im kurzen Zeitraum zahlreich aufgetretenen Mängel hätten nicht ausreichend „Gewicht“.  Es handele sich um bloße Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit, sondern nur die Optik und Ausstattung beträfen und die richtigerweise nur „Lästigkeitswert“ besäßen…

 

 

Einheitlicher Mietvertrag über Wohnraum und Garage

 

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.10.2011 – AZ: VIII ZR 251/10) sind Garagen- bzw. Stellplatzmietvertrag und Wohnungsmietvertrag grundsätzlich als 2 getrennte Verträge zu behandeln, wenn die Mietsachen auf verschiedenen Grundstücken liegen und als einheitliches Mietverhältnis, wenn die Mietsachen auf demselben Anwesen liegen. Dieser Grundsatz gelte erst Recht, wenn die Mietverträge zwar auf unterschiedlichen Urkunden seien, aber dasselbe Datum trügen. Selbst bei nachträglichen Abschluss bspw. eines Garagenmietvertrages kann ein einheitliches Mietverhältnis entstehen (OLG Karlsruhe, NJW 1983, 1499). Entscheidend sei aber immer der Parteiwille.

Gleich in mehreren Hinweisbeschlüssen hat der BGH nun diese Rechtsprechung bestätigt und konkretisiert (Hinweisbeschlüsse vom 09.04.2013 – AZ: VIII 245/12; vom 04.06.2013 – AZ: 422/12 und vom 03.09.2013 – AZ: 165/13). Neben dem Merkmal, gleiches Grundstück oder nicht, ist entscheidend, ob bspw. unterschiedliche Kündigungsfristen in den Mietverträgen vereinbart seien. In den entschiedenen Fällen hatte der Garagen- bzw. Stellplatzmietvertrag eine Kündigungsfrist von einem Monat und die Wohnungsmietverträge von 3 Monaten oder mehr. Daher käme es sogar nicht mal mehr drauf an, ob die Mietgegenstände auf demselben Grundstück lägen oder nicht – es handele sich immer um getrennte Mietverträge.

 

 

Tatsächlich: Autoinhaltsversicherung auch für im Auto befindliche Gegenstände

 

 Ja, ist doch logisch, möchte man sagen. Dennoch musste das OLG Koblenz mit Urteil vom 10.11.2005 – AZ: 127 E 2 - 58/05 hierüber entscheiden. Im entschiedenen Fall war eine Autoinhaltsversicherung mit sog. Nachtzeitklausel abgeschlossen worden. Versichert war ein Fahrzeug einer Elektrofirma, das nachts auf dem Firmengelände aufgebrochen wurde und aus dem Werkzeuge und Ersatzteile gestohlen wurden. Die Versicherung verweigerte den Ausgleich des Schadens mit dem Argument, es sei eine Transport – aber keine Lagerversicherung abgeschlossen worden. Die Gegenstände seien während der Lagerung gestohlen worden.

Nein, sagte das OLG Koblenz. Die Nachtzeitklausel könne nur so verstanden werden, dass auch die Sachen versichert sind, die dauerhaft in dem Werkstattwagen aufbewahrt werden, um das Fahrzeug jederzeit und sofort einsatzbereit zu halten. Hauptzweck der Aufbewahrung sei dann nicht die Lagerung, sondern die Notwendigkeit, die Teile mit dem Fahrzeug zu den Einsatzstellen befördern zu können.

 

 

WEG-Recht: Ein Stellplatz darf voll ausgenutzt werden

 

Das Amtsgericht München (Urteil vom 11.06.2013 – AZ: 415 C 3398/13) hatte einen Fall zu entscheiden bei dem sich eine Opel-Fahrerin und eine Renault-Fahrerin darum stritten, wie die Fahrzeuge auf den Stellplätzen abzustellen seien. Dann und wann parkte die Renault-Fahrerin ihr Auto nicht mittig, sondern auf der rechten Seite ihres Stellplatzes. Die Opel-Fahrerin, die ihren Stellplatz rechts von der Renault-Fahrerin hatte, fühlte sich dadurch beim Einsteigen gehindert und verlangte Unterlassung. Zur unrecht wie das Amtsgericht Urteilte. Ein Wohnungseigentümer könne den zu seiner Wohnung gehörenden Stellplatz voll ausnutzen. Wo er parke sei gleichgültig. Schließlich dürfe er auch mit einem sehr breiten Fahrzeug, das den Stellplatz voll einnehme, dort parken. Eine Einschränkung könne sich nur aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot ergeben, dieses war im vorliegenden Fall aber nicht verletzt.

 

 

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

 

Die sogenannte Patientenverfügung mit § 1901 a Abs. 1 BGB kodifiziert worden. In der Patientenverfügung werden medizinische Behandlungswünsche für den Fall niedergeschrieben, dass sie im Falle einer notwendigen Behandlung (nicht Mehr) geäußert werden können. Mit der Vorsorgevollmacht werden eine oder mehrere Personen benannt, die im erforderlichen Fall den in der Patientenverfügung geäußerten Willen durchsetzen sollen. Der BGH hat mit aktuellem Urteil vom 14.08.2013 – XII ZB 206/13 entschieden, dass eine wirksam erteilte Vorsorgevollmacht der Bestellung eines (anderen) Betreuers grundsätzlich entgegen stehe. Ausnahmsweise gelte dies nicht, wenn Bedenken gegen die Eignung oder Redlichkeit der bevollmächtigten Person bestehen oder die Bevollmächtigung dem Wohl des Betroffenen (Vollmachtgeber) zuwiderläuft. Dies war zum Beispiel der Fall bei Bevollmächtigung eines 88-jährigen Verwandten (Ehemann). In diesem Fall wurde trotz Vorsorgevollmacht ein Berufsbetreuer bestellt, BGH, Beschluss vom 07.08.2013 – XII ZB 131/13.

Um bei dieser sensiblen Thematik alle Eventualitäten abzusichern und ggf. das Vorliegen von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht registrieren zu lassen (ZVR-Card) ist eine anwaltliche und anschließenden ärztliche Beratung immer sinnvoll.

 

 

WEG – Vermietung an Feriengäste darf nicht untersagt werden

 

Das Landgericht Berlin hat in einem aktuellen Urteil vom 25.06.2013 (AZ: 85 S 143/12) bestätigt dass ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, wonach einem Miteigentümer untersagt wird, seine Wohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Mieter zu vermieten, mangels Beschlusskompetenz nichtig ist.

Von solchen innerstädtischen „Ferienwohnungen“ gehen häufig Lärmbelästigungen aus, weshalb die betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaften versuchen, solch eine Nutzung zu verbieten. Das Urteil überrascht nicht, da der BGH gleiches bereits mit Urteil vom 15.01.2010 (AZ: V ZR 72/09) festgestellt hatte. Der BGH stellte seinerzeit jedoch entscheidend darauf ab, ob eine konkrete Nutzung vorlag, die die übrigen Eigentümer über das Maß des § 14 WEG beeinträchtige. Das Landgericht Berlin meint, bei dem Beschluss handele es sich nicht lediglich um eine Gebrauchsregelung für bestimmte, kürzer Zeiträume, sondern um einen Ausschluss bestimmter Arten der Wohnungsnutzung. Hierfür fehle der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz. M. E. ist dieser Meinung zuzustimmen, da der Gemeinschaft keine Beschlusskompetenz zusteht, über das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer zu entscheiden.

Bei Zweifeln über die Befugnisse der Wohnungseigentümergemeinschaft oder Auslegung der Teilungserklärung sollten Sie daher immer anwaltlichen Rat zu Hilfe nehmen.

 

 

Eigenbedarfskündigung zur ausschließlichen beruflichen Tätigkeit

 

Mit Versäumnisurteil vom 26.09.2012 hat der BGH entschieden (AZ VIII ZR 330/11), dass eine Eigenbedarfskündigung grundsätzlich auch zulässig ist, wenn der kündigende Vermieter die gekündigte Wohnung ausschließlich für berufliche Zwecke benötigt. Bisher war dies höchstrichterlich nur für den Fall entschieden, dass der kündigende Vermieter die Wohnung hauptsächlich für berufliche Zwecke benötigt aber auch zu Wohnzwecken, wie es § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB benennt. Da in dieser Norm die ausschließliche berufliche Nutzung nicht erwähnt ist, gab es verschiedene Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur, die eine Eigenbedarfskündigung, um die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken zu nutzen, ablehnten. So in diesem Fall auch das Amtsgericht und danach das Landgericht. Der Bundesgerichtshof hat im vorliegenden Fall eine solche Differenzierung verneint und die Kündigung für ausschließliche berufliche Zwecke der Kündigung zu Wohnzwecken „gleichgestellt“. Im vorliegenden Fall hatte der Vermieter für seine Ehefrau gekündigt, die in der streitgegenständlichen Wohnung eine Rechtsanwaltskanzlei einrichten wollte.

 

 

Steuerliche Vergünstigungen für Kinder

 

Kinder sind ein Segen… und das nicht nur für das persönliche Glück der Eltern, sondern steuerlich gesehen auch für deren Geldbeutel. Die wichtigsten Steuervergünstigungen sind das allen bekannte Kindergeld, der steuerliche Kinderfreibetrag bzw. BEA- Freibetrag.

Kindergeld gibt es für Kinder ersten Grades, für Pflegekinder, Stiefkinder und Enkelkinder, die im Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen wurden. Für jedes Kind, das steuerlich zu berücksichtigen ist, besteht ggf. Anspruch auf einen Kinderfreibetrag und seit 2002 auf den Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung (BEA-Freibetrag), sofern ein Anspruch auf Kindergeld gegeben ist und die Günstigerprüfung den Freibeträgen dem Kindergeld Vorzug gebietet.

Erwerbsbedingte Betreuungskosten sind als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar. Private Betreuungskosten können als Sonderausgaben abgesetzt werden. Daneben können die Kinderbetreuungskosten in bestimmten anderen Fällen steuermindernd berücksichtigt werden.

Für Kinder in Schul- und Berufsausbildung, für die Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag gewährt wird, kann ein Sonderbedarf geltend gemacht werden, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und außerhalb des elterlichen Haushalts untergebracht ist.

Alleinerziehende Mütter und Väter können evtl. einen Entlastungsbetrag in Höhe von € 1.308,- erhalten. Eine Voraussetzung ist jedenfalls, dass dem Haushalt mindestens ein Kind angehört, für das Kindergeld oder der BEA Freibetrag gewährt wird.

Für den Besuch einer Privatschule können 30% des Schulgeldes, ab 2008 begrenzt auf 5.000 €, als sogenannte Sonderausgabe abgesetzt werden. Daneben kann ein Kind bei der Eigenheimzulage, der Altersvorsorgezulage (sog. Riester-Förderung), der Ermäßigung beim Solidaritätszuschlag, der Kirchsteuer, der Arbeitnehmer-Sparzulage und Wohnungsbau-prämie, sowie bei den abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen, Berücksichtigung finden.

Auch wenn der Fiskus nicht gerne Steuergeschenke verteilt, bei Kindern ist er großzügig. Schließlich sind Kinder die Steuerzahler von Morgen.

 

 

WEG bauliche Maßnahme und Gebrauchswerterhöhung

 

Häufiger Streitpunkt im Rahmen der WEG-Beschlussfassung ist die Behandlung von baulichen Veränderungen. Zum Einen ist häufig unklar, in welchen Bereich des § 22 WEG, der diesen Themenbereich behandelt, die bauliche Veränderung einzuordnen ist. Der BGH hat sich in einem nunmehr veröffentlichten Urteil mit der Frage beschäftigt, ob eine bauliche Maßnahme, die eine optische Veränderung der Wohnungseigentumsanlage bewirkt, eine Gebrauchswerterhöhung darstellen und somit durch qualifizierte Mehrheit beschlossen werden kann (Urteil v. 14.12.2012 – VZR 224/11).

Er hat entschieden, dass dies grundsätzlich möglich sei. Es käme jedoch darauf an, ob die Maßnahme aus Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert des Wohnungseigentums nachhaltig zu erhöhen. Er führte weiter aus, dass es hieran jedenfalls dann fehle, wenn die entstehenden Kosten bzw. die Mehrkosten außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil stünden. Offen bleibt dabei jedoch, was es bedeutet, dass die Kosten außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil stehen.

Dies ist jedoch für die Klassifizierung der Maßnahme entscheidend. Wenn nämlich die Maßnahme weder als modernisierende Instandsetzung noch als Modernisierungsmaßnahme zu klassifizieren ist, bedarf sie nämlich als nachteilige bauliche Maßnahme der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Hier liegt auch die Crux des Urteils. Nachteilige bauliche Maßnahmen, die nicht einem der soeben genannten Begriffe zuzuordnen sind, bedürfen nämlich grundsätzlich immer der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Gerade bei großen Wohnungseigentumsanlagen dürfte eine solche Einstimmigkeit nur sehr schwer zu erzielen sein.

Wer sich entschließt, Wohnungseigentum zu erwerben und so zwingend Mitglied einer WEG wird, sollte sich daher über die Konsequenzen jedenfalls rechtlich beraten lassen. Auch dürfte es immer ratsam sein, ggf. bei Beschlüssen hinsichtlich baulicher Maßnahmen und deren Genehmigungsfähigkeit bzw. Unzulässigkeit oder hinsichtlich der Abstimmungserfordernisse rechtlichen Rat einzuholen.

 

 

Miete und Tierhaltung

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 168/12 mal wieder mit einer Mietvertragsklausel bez. der Tierhaltung beschäftigt.

Der Mietvertrag sah vor, dass eine Tierhaltung die Zustimmung der Vermieterin erfordere, soweit es sich nicht um übliche Kleintierhaltung handelt, z.B. Fische, Hamster, Vögel.

In § 16 des Mietvertrages wurde maschinenschriftlich ergänzt, „das Mitglied ist verpflichtet, keine Hunde und Katzen zu halten“. Der Vermieter hatte, nachdem er von der Existenz eines Hundes erfahren hatte, dazu aufgefordert, diesen wieder abzuschaffen. Als dies nicht erfolgte wurde Klage erhoben. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der BGH hat nunmehr bestätigt, dass kein Anspruch besteht. Problematisch an der Klausel ist, dass diese keine Ausnahmen zulässt und auch nicht auf die individuellen Gegebenheiten abstellt, etwa ob der Mieter auf ein Tier angewiesen ist oder ob von einem Tier Störungen ausgehen.

Dieses absolute Verbot, unabhängig davon, ob ein Bedarf besteht oder eine Störung ausgeht ist, wie der BGH entschied, für den Mieter regelmäßig unzumutbar und daher ist die Klausel unwirksam. Allerdings stellte der BGH klar, dass es unabhängig von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Klausel immer sein kann, dass eine gewisse Tierhaltung unzulässig ist.

 

 

Heilung einer unwirksamen Befristung des Mietvertrages

 

Mit Urteil des BGH vom 10.07.2013, AZ VIII ZR 388/12 entschied dieser, dass im Falle der Unwirksamkeit einer Befristung eines Mietvertrages eine Regelungslücke im Vertrag entstünde,  die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei.

Auf Wunsch des Mieters wurde das Mietverhältnis auf 7 Jahre geschlossen, mit der Option, das Mietverhältnis zweimalig dreijährig zu verlängern, so dass eine optionale Mietdauer von schlussendlich 13 Jahren vereinbart wurde. Vor Ablauf der 7 Jahre kündigte der Vermieter wegen Eigenbedarf. Der Mieter zog nicht aus, weshalb der Vermieter Räumungsklage erhob. Die Räumungsklage hatte vor dem Amtsgericht Erfolg und die Berufung vor dem Landgericht wurde zurückgewiesen. Die Argumentation von Amtsgericht und Landgericht war, dass eine Befristung gem. § 575 BGB unwirksam sei, weshalb das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen sei und somit entsprechend ordentlich kündbar sei. Das Oberlandesgericht entschied anders, die Revision hatte Erfolg. Nach den Ausführungen des OLG sei es zwar richtig, dass die Befristung unwirksam sei. Allerdings ergäbe sich dadurch in dem Mietvertrag eine regelungsbedürftige Lücke, die durch Auslegung zu schließen sei. Hätten die Parteien gewusst, dass die Befristung unwirksam ist, so hätten sie den Ausführungen des OLG zufolge eben für diese Zeit einen Kündigungsverzicht vereinbart. Dem stünde auch der Gesetzeszweck nicht entgegen, da der Gesetzgeber mit der nur bedingt möglichen Befristung von Mietverträgen lediglich eine Umgehung der Kündigungs- und Mieterhöhungs-vorschriften erreichen wollte. Langfristige Bindungen im Mietvertrag sollten jedoch gerade möglich sein.

Es zeigt sich wieder einmal dass in der Jurisprudenz ein Obsiegen in zwei Instanzen keinen endgültigen Erfolg bedeutet und dass in der praktischen Anwendung die theoretische Unwirksamkeit einer Vereinbarung durch Auslegung „geheilt“ werden kann. Bei dem Wunsch, Mietverträge zeitlich zu limitieren, sollten Sie daher immer rechtsanwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.

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